Zwischenbilanz im Super League Abstiegskampf – Wer muss runter?

Der FC Luzern und Lausanne-Sport tummeln sich mit 10 respektive 12 Punkten nach knapp der Hälfte der Saison am Tabellenende. Insgesamt gerademal drei Siege konnten die beiden Teams bislang in der Meisterschaft einfahren. Auch der FC St. Gallen ist nach Wochen mit viel Licht und Schatten auf dem 8. Tabellenrang und somit in der bitteren Realität gelandet. Bolzplazz richtet den Blick auf den Tabellenkeller und wagt eine Analyse im Kampf um den Abstieg.

FC Luzern (10 Punkte nach 16 Partien)

Warum der FCL nicht in die Challenge League muss:

Marco Burch & Filip Ugrinic

Die beiden jungen Eigengewächse sind absolute Leistungsträger und mit Abstand die grössten Lichtblicke im bisherigen Saisonverlauf. In einem immer wieder neu zusammengestellten Abwehrverbund ist Burch (21) die einzige Konstante. Mit seiner Spielweise als tiefstehender „Absicherer“ in der Innenverteidigung, überzeugt der Schweizer U21-Nationalspieler auf ganzer Linie. Das tut auch Filip Ugrinic (22): Als Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriff zieht er die Fäden im Offensivspiel und sorgt mit Dynamik, Power, Kreativität und Spielfreude für stete Gefahr vor dem gegnerischen Kasten. Mit vier Toren und drei Assists in der Liga ist der Rechtsfuss Topscorer der Innerschweizer und in der Regel auch der auffälligste Mann des FCL. Die beiden Toptalente haben von allen Kaderspielern die meisten Einsatzminuten auf dem Konto und haben angesichts ihrer Qualität und ihrem grossem Potential die rote Laterne der Super League eigentlich nicht verdient. An ihnen liegt die Misere des Cupsiegers definitiv nicht – im besten Fall können die beiden als Schlüsselspieler dazu beitragen, den FC Luzern in der Liga zu halten.

Erfahrung pur

Auf diese Spielzeit hin wurden mit Christian Gentner (36) und Holger Badstuber (32) zwei ehemalige Deutsche Meister und Nationalspieler in die Innerschweiz geholt. Die beiden namhaften Oldies haben in ihren langen Karrieren schon fast alles erlebt und ihrerseits ebenfalls schon viele Talfahrten durchgemacht. Dieser Erfahrungsschatz kann gerade in der entscheidenden Phase zum Ende der Saison hin für eine verunsicherte Mannschaft sehr wertvoll sein. Insbesondere Gentner, der direkt zum Captain ernannt wurde, kann mit seiner Routine auch in instabilen Zeiten als Leitwolf vorangehen. Daneben stehen mit Pascal Schürpf und Dejan Sorgic (beide 32) zwei weitere wichtige „alte Hasen“ im Kader der Luzerner. Gemeinsam bringen sie es auf rund 350 Partien in der höchsten Schweizer Spielklasse. Sowohl Flügel Schürpf als auch Mittelstürmer Sorgic haben in ihrer Laufbahn schon das ein oder andere bedeutende Tor erzielt. Gerade im psychisch extrem fordernden Abstiegskampf entscheidet sich viel im Kopf und nicht in den Füssen. Demzufolge haben Routiniers hierbei oft einen grossen Vorteil gegenüber jungen Spielern.

Der Cupsieger 2020/2021 steigt aus folgenden Gründen ab:

Anfällige Aussenverteidiger

Mit Martin Frydek (29), Patrick Farkas (29), Silvan Sidler (23) und Simon Grether (29) stehen den Innerschweizern vier Spieler für die rechte und linke defensive Aussenbahn zur Verfügung. Auf dem Papier ist in diesem Mannschaftsteil mit zwei international gestandenen Akteuren, dem jungen Sidler und Grether als Backup genügend Qualität und Quantität vorhanden. Doch in dieser Saison ist keiner der vier in Normalform. Gerade vom früheren tschechischen Nationalspieler Frydek und dem auf diese Saison hin aus Salzburg verpflichteten Farkas darf man deutlich mehr erwarten. Unterirdische 0,33 respektive 0,43 Punkte holten die Blau-Weissen im Schnitt, wenn sie auf dem Rasen standen. U21-EM-Fahrer Sidler konnte immerhin schon drei Scorerpunkte verzeichnen, stagniert aber sonst in seiner Entwicklung. Die Aussenverteidiger des FCL sind – egal in welcher Konstellation – sehr labil, nicht widerstandsfähig und viel zu häufig stimmt die defensive Abstimmung nicht. Durch falsche Abstände zu den Innenverteidigern oder schwaches Stellungsspiel entstehen immer wieder grosse Freiräume für den Gegner. Auch die Umstellung auf eine Fünferkette im letzten Spiel gegen den FCZ zeigte keinerlei positive Auswirkungen. Können sich die vier Aussenverteidiger nicht merklich steigern, wird kaum Stabilität im Abwehrverbund der Luzerner einkehren.

Unruhiges Umfeld

Nach dem ersten Titel seit 29 Jahren, dem trotz Pandemie frenetisch bejubelten Cupsieg im Sommer, herrschte Euphorie rund um den Verein und das Vertrauen in Fabio Celestini war sehr gross. Auch die Aktionärsstreitigkeiten konnten im Frühjahr endlich gelöst werden. Mit dem blamablen Ausscheiden aus den europäischen Qualifikationsrunden, dem miserablen Saisonstart in der Meisterschaft und der damit verbundenen Entlassung Celestinis hätte in Luzern bis vor kurzem niemand gerechnet. Nun sieht man sich mit der harten Realität konfrontiert. In der Winterpause muss ein neuer Trainer präsentiert werden, Sportchef Remo Meyer ist umstritten, frühere Anteilseigner mischen sich immer wieder medial in die Geschehnisse ein und die Umstände rund um Corona sind finanziell und emotional sowieso ungewiss. Zündet der neue Übungsleiter in der Rückrunde nicht und bleibt der Erfolg weiterhin aus, ist der FCL ein regelrechtes Pulverfass. Noch unzufriedenere Fans und ein klubinternes Chaos analog zur jüngeren Vergangenheit wäre für die sportliche Zukunft verheerend, jedoch speziell in Luzern durchaus im Bereich des Möglichen. Dass sich ein frustriertes Umfeld zumindest indirekt immer auch negativ auf die Mannschaft auswirkt, ist nicht von der Hand zu weisen. Speziell im Kampf um den Abstieg wäre zusätzliche Unruhe Gift für den Verein.

Lausanne-Sport (12 Punkte nach 16 Partien)

Wieso die Lausanner der Super League auch nächste Saison erhalten bleiben:

Neue Optionen dürften folgen

Anders als viele andere Schweizer Profiklubs ist Lausanne seit der Übernahme durch den britischen Chemiegiganten INEOS vor rund vier Jahren finanziell gut situiert und muss sich wenig Sorgen ums Überleben machen. Während viele Vereine durch die pandemiebedingten Einkommensausfälle fast an den Rand des Ruins getrieben worden sind, sieht die Situation im Waadtland deutlich entspannter aus. Zwar werden die Lausanner nicht übermässig mit Geld zugeschüttet und es werden auch keine unverhältnismässig teuren Transfers getätigt, doch dank der Rückendeckung von INEOS nagt man definitiv nicht am Hungertuch. Vor etwas mehr als einem Jahr ist man ins nagelneue und schmucke Stadion La Tuilière eingezogen. Sollte die sportliche Misere weitergehen, werden die Investoren in der Winterpause sicherlich Mittel für die eine oder andere Neuverpflichtung bereitstellen. Mit qualitativ hochwertigen Kaderergänzungen steigt die Chance auf den Klassenerhalt. Dazu kommt, dass Topstürmer Aldin Turkes nach seinem Kreuzbandriss im Laufe der Rückrunde wohl wieder ins Geschehen eingreifen wird. Ganze 32 Treffer hat der zweifache Challenge-League-Torschützenkönig im Lausanner Dress schon erzielt. Seine Rückkehr wird der Mannschaft definitiv einen Schub verleihen.

Starke zentrale Achse

Steckt ein Team im Tabellenkeller fest, kommen immer Zweifel auf, ob der Kader überhaupt genügend Qualität für einen Verbleib in der Liga besitzt. Bei Lausanne ist diese Frage in gewissen Mannschaftsteilen sicherlich auch angebracht, jedoch verfügt das Team auch über Spieler überdurchschnittlichlicher Klasse. Diese bilden eine Art essentielle Achse in der Mitte des Lausanner Kollektivs. Dazu zählen Captain und Regisseur Stjepan Kukuruzovic (32), Mittelfeldpuncher Cameron Puertas (23) und der hochveranlagte Angreifer Zeki Amdouni (20). Diesw drei Akteure stehen nicht nur mit am meisten auf dem Rasen, sondern haben wettbewerbsübergreifend auch 14 der 21 geschossenen Lausanner Tore erzielt. Diese Quote verdeutlicht die Wichtigkeit der drei besten LS-Spieler in Zahlen, doch auch ohne Statistiken erkennt man ihre überdurchschnittlichen fussballerischen Qualitäten von blossem Auge. Neben Spielwitz und blitzsauberer Technik, bringt vor allem Puertas auch eine physische Komponente ein. Können diese drei Spieler ihre Form konservieren oder sich gar noch weiter steigern, haben die Waadtländer dank ihrer Achse wirklich einen triftigen Grund, den Abstiegskampf schadlos zu überstehen. Die beiden späten Zuzüge von Simone Grippo (32) und des ehemaligen Premier-League- und Ligue-1-Verteidigers Lamine Koné (32) haben sich ebenfalls als Glücksgriffe entpuppt. Die beiden routinierten Innenverteidiger bauen die Achse weiter aus und stabilisieren das defensive Gefüge merklich.

Deshalb müssen die Waadtländer den Gang in die Zweitklassigkeit antreten:

Ein „Liftklub“ wie aus dem Bilderbuch

Lausanne war von der Gründung bis ungefähr zur Jahrtausendwende fixer Bestandteil der obersten Schweizer Spielklasse. In dieser Zeitspanne feierte man sieben Meistertitel und neun Cupsiege. 2003 musste der Verein nach diversen Schwierigkeiten Konkurs anmelden und den Zwangsabstieg in die 2. Liga Interregional hinnehmen. Nachdem man zuvor nie sportlich abgestiegen war, sieht die Angelegenheit in jüngerer Vergangenheit ganz anders aus. Seit der Saison 2005/2006 spielte LS zehn Mal in der Challenge League und sieben Mal in der Super League. Im letzten Jahrzehnt feierte man drei Aufstiege, musste aber auch zweimal den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Von einem nationalen Spitzenverein haben sich die Waadtländer zu einem „Liftklub“ im Schweizer Fussball entwickelt. Demzufolge ist das «Rauf und Runter» gewissermassen auch etwas in der DNA des Vereins verankert. Es würde wohl niemanden verwundern, wenn nach zwei Spielzeiten im Oberhaus wieder ein Abstieg folgen würde.

Harmlos und unsicher

Nach 16 gespielten Runden haben die Lausanner mickrige 17 eigene Treffer erzielt (davon ein Eigentor). Mory Diaw und Thomas Castella mussten im selben Zeitraum ganze 32 mal die Kugel aus dem eigenen Netz fischen. Damit hat Lausanne aktuell am zweitmeisten Treffer kassiert und am wenigsten selbst geschossen. In Folge dessen steht man zusammen mit dem FCSG auch mit der ligaweit schlechtesten Tordifferenz da. Solche Werte bedeuten in den allermeisten Fällen überhaupt nichts Gutes. Zeki Amdouni ist zwar ein talentierter Offensivspieler, aber Lausanne fehlt eindeutig ein eiskalter Knipser. Von den 17 Saisontoren fielen gerademal neun aus dem Spiel heraus – ein weiteres Indiz dafür, dass das unproduktive Offensivspiel nicht Super-League-tauglich ist. Das verdeutlichen auch folgende Statistiken: Lausanne-Sport feuert die zweitwenigsten Schüsse ab, wobei gerademal 41% der Bälle auch aufs Tor kommen – der zweitschlechteste Wert der Liga. Auch defensiv zeigen sich die Waadtländer bislang wenig stabil und meist zu weit weg vom Gegenspieler. 87 Schüsse auf das eigene Tor liess man in dieser Saison bisher zu, was klar zu viel ist. In praktisch allen Angriffs- und Abwehrstatistiken sind die Lausanner auf den letzten beiden Plätzen klassiert. Trainer Ilija Borenovic hat noch kein gänzlich überzeugendes Konzept gefunden. Die Kombination aus Harmlosigkeit und Instabilität lässt Übles erahnen.

Und da wären noch die anderen…

Auf dem drittletzten Tabellenrang befinden sich die St. Galler. Nachdem man gegen die Topteams stets punkten konnte, zeigt man gegen vermeintlich schwächere Gegner keine überzeugenden Leistungen. Das St. Galler Tagblatt schrieb darum jüngst folgerichtig: „Der FCSG ist der Robin Hood der Liga“. Mit fünf roten oder gelb-roten Karten nach 16 gespielten Runden, brachte man sich auch viel zu häufig durch unnötige Aktionen in Unterzahl. Wie schwierig es mit einem Mann weniger ist, zeigte das vergangene Heimspiel gegen die Grasshoppers in aller Deutlichkeit (0:4). Stand jetzt zählt auch der FCSG zu den möglichen Abstiegskandidaten, wobei man dies ja eigentlich für die halbe Liga behaupten könnte.

Es bleibt also in dieser Spielzeit nicht nur im Meisterschaftsrennen, sondern einmal mehr auch im Abstiegskampf extrem spannend. Gerade auf die Espen könnte eine erneute pandemiebedingte Zuschauerbeschränkung sichtbare negative Auswirkungen haben, denn das heissblütige St. Galler Publikum war in der Vergangenheit oft das Zünglein an der Waage. Aber auch Verletzungen, wiedergenesene Leistungsträger, allfällige Trainerwechsel oder Wintertransfers können die Dynamik in der unteren Tabellenhälfte in den nächsten Wochen und Monaten natürlich nochmals auf den Kopf stellen. Es bleibt wohl bis zum Ende offen, wer nächstes Jahr in die Zweitklassigkeit absteigt und wer sich in die Barrage retten kann. Auch das spielerisch limitierte Sion soll an dieser Stelle noch mit in die Verlosung geschickt werden…

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