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  • Livio Dörig

Swiss Talent Watch: Isaac Schmidt – ein Dribbelkünstler à la Ruben Vargas

In der Serie "Swiss Talent Watch" stellt Bolzplazz jeweils ein Schweizer Talent vor. Der 19. Beitrag ist Isaac Schmidt gewidmet.


Im letzten Sommer musste der FCSG erneut einige schmerzhafte Abgänge hinnehmen und versuchte wiederum mit bescheidenem Budget und geschickten Transfers ein schlagkräftiges Kader zusammenzustellen. Sportchef Alain Sutter ist der richtige Mann für diese Strategie, denn er hat sein hervorragendes Händchen für begabte Spieler, die anderswo ihr Potential nicht abrufen konnten oder anderweitig in eine Karrieresackgasse gelangt sind, bereits oft bewiesen. In diese Kategorie Spieler zählt auch der vor dieser Saison aus Lausanne gekommene Isaac Schmidt. Der dynamische Flügelstürmer begeistert in der Ostschweiz mit unerschrockenen Dribblings und Spielfreude – und hat sich zudem in kürzester Zeit zu einer wichtigen Teamstütze in der Kabine entwickelt.


Aus dem Team Vaud in die Challenge League


Schmidt, im Dezember 22-jährig, ist in Lausanne geboren und aufgewachsen. Früh seinem Idol Ronaldinho nacheifernd, übte er zu Hause das Dribbeln und Jonglieren. Im Teeangeralter schaffte Schmidt dann den Sprung in den Nachwuchs von Lausanne-Sport. In den Auswahlen des Team Vauds, wo die besten Talente des ganzen Kantons kicken, konnte er sich in jeder Stufe durchsetzen. Auf Basis dieser Nachwuchsausbildungsstrategie profitiert Lausanne-Sport von einem grossen Einzugsgebiet an begabten Fussballern. In jüngerer Vergangenheit habend die Waadtländer dank hervorragender Ausbildung und moderner Infrastruktur einige spannende Spieler hervorgebracht – neben Andi Zeqiri oder Dan Ndoye auch etwa Cameron Puertas oder Bryan Okoh.



Zur Rückrunde 2017 gelang Schmidt dank vielversprechenden Leistungen der Sprung von der U18-Auswahl in die U21 des Team Vauds. Zu Beginn stand er zwar nur im erweiterten Kader, doch bis Ende Saison absolvierte der Offensivmann zehn Einsätze in der viertklassigen 1. Liga. Nach einem für Schmidt persönlich schwierigen darauffolgenden Jahr, übernahm der jetzige Lausanne-Coach Ilija Borenovic das Ruder der U21. An der Seite von heute bekannten Akteuren wie Dan Ndoye, Cameron Puertas, Gabriel Bares oder Josias Lukembila, nahm Schmidt unter Borenovic den nächsten Schritt und überzeugte auf ganzer Linie. In 25 Ligaeinsätzen für die U21 gelangen Schmidt auf dem rechten Flügel starke 12 Treffer und er hatte grossen Anteil daran, dass sein Team den zweiten Tabellenrang hinter Etoile Carouge erreichen konnte. Erst in den Playoffs um den Aufstieg in die Promotion League konnten die jungen Wilden aus Lausanne gestoppt werden.


Angesichts seiner vielversprechenden Entwicklung wenig überraschend, stattete Lausanne-Sport Isaac Schmidt im Juni 2019 mit seinem ersten Profivertrag aus. Bis er seinen ersten Einsatz imF anionteam verzeichnen konnte, musste er sich jedoch noch gedulden. Fortan kam er nämlich weiterhin im Team Vaud zu Einsätzen, skorte dort aber nach wie vor regelmässig. Alsbald wartete schon ein weiteres Highlight auf ihn, denn Schmidt, Sohn einer nigerianischen Mutter und eines deutsch-österreichischen Vaters, wurde in diesem Zeitraum auch erstmals für die Schweizer U-Nationalmannschaft aufgeboten. In der U20 Elite League 2019 kam er zu zwei Kurzeinsätzen im Schweizer Dress. Bislang blieben es aber seine einzigen Auftritte mit dem weissen Kreuz auf der Brust – das könnte sich in Zukunft jedoch ändern.


Im Juni letzten Jahres kam schliesslich der langersehnte Moment: Im Stadtderby gegen den Lokalrivalen Stade-Lausanne-Ouchy feierte Schmidt sein Debüt in der Challenge League. Auf der rechten Aussenbahn machte er bis Saisonende noch sechs weitere Partien und verbuchte dabei eine Torvorlage. Als Bestandteil einer der wohl besten Mannschaften in der Geschichte der Challenge League, die mit Spielern des Kalibers Andi Zeqiri oder Aldin Turkes gespickt war, schaffte Schmidt mit Lausanne-Sport 2019/20 souverän den Aufstieg in die Super League.


Auf die Stagnation folgt der Tapetenwechsel


Nach dem furiosen Aufstieg in die höchste Schweizer Spielklasse und vielversprechenden ersten Auftritten in der 1. Mannschaft, hofften viele im Lausanner Umfeld, dass Schmidt auch in der Super League eine Rolle spielen würde. Der schnelle Flügel tat sich aber schwer und hatte mit der grossen Konkurrenz zu kämpfen, die von INEOS-Partner Nizza nach Lausanne geschwemmt wurde. Zu diesen zahlreichen Spielerrochaden äusserte er sich im St.Galler Tagblattes unlängst kritisch: "Wenn viele Spieler aus Nizza kommen, ist es schwieriger, die Verbindung innerhalb des Teams herzustellen," so der 21-Jährige. Schmidt hatte aber nicht nur wegen der harten Konkurrenz Mühe: Auch eine Verletzung brachte ihn ins Hintertreffen. Erst im Dezember 2020 stand er das erste Mal in der Super League auf dem Rasen, ausgerechnet gegen seinen heutigen Arbeitgeber aus der Ostschweiz.


Richtig in Fahrt kam Schmidt in der abgelaufenen Saison aber nie und so standen am Ende lediglich ein Startelfauftritt und eine Handvoll Kurzeinsätze zu Buche. Die Stagnation in seiner Entwicklung war offensichtlich und die anhaltende Spielerflut aus Nizza verbesserte seine Perspektiven auch nicht. So kam er gemeinsam mit seinem Berater zum Schluss, dass er eine Luftveränderung brauchen würde, um nicht schon früh wieder in der Versenkung zu verschwinden. Beim FCSG hatte man Schmidt schon seit seinen ersten Auftritten in der Challenge League beobachtet und seither stets auf dem Radar behalten. In diesem Sommer schlug Suter daher zu, als sich die Marktchance eröffnete. Der junge Angreifer wurde mit einem Zweijahresvertrag bis 2023 ausgestattet und läuft seither für die Espen auf.



Schaut man sich die Gegebenheiten vor Ort etwas genauer an, scheint der Wechsel zum FC St.Gallen eine kluge Entscheidung gewesen zu sein. Der attackierende und vertikale Spielstil passt zu Schmidt und Trainer Peter Zeidler ist in puncto Weiterentwicklung von Talenten ein sicherer Wert. Dass Zeidler als ehemaliger Französischlehrer zudem die Sprache perfekt beherrscht und die Kommunikation mit Schmidt somit reibungslos klappt, ist ein weiterer Pluspunkt.


Mit Dribblings und Einsatz in die Herzen der FCSG-Fans


Nach anfänglicher Eingewöhnungszeit, zeigt die Formkurve beim wendigen Rechtsfuss in den letzten Wochen steil nach oben. Am 8. Spieltag stand Schmidt in Bern erstmals in der Startformation der St.Galler. Bis dato steht er wettbewerbsübergreifend bei zehn Einsätzen im grün-weissen Trikot. Bis zum 15. Spieltag, den er angeschlagen verpasste, erhielt er in den letzten drei Liga-Partien jeweils das Vertrauen von Beginn an – ein starkes Indiz dafür, dass er nun definitiv in der Ostschweiz angekommen ist. Eine grosse Stärke ist seine Vielseitigkeit: Im typischen St.Galler 4-3-1-2-System kann Schmidt jede offensive Position bespielen: So kam er schon hinter den Spitzen, auf den beiden Halbpositionen im Mittelfeld oder als Joker zuvorderst im Angriff zum Zug. Durch seine Polyvalenz eröffnet er dem Trainer neue Möglichkeiten und steht gemeinsam mit Salifou Diarrassouba und Alessio Besio, zweier weiterer junger FCSG-Spieler, stellvertretend für die Ankunft einer neuen Talentgeneration im Kybunpark.


Sein bisher bestes Spiel für die Espen lieferte er beim 3:1-Heimsieg gegen die Young Boys vor rund einem Monat ab. Auf der linken Halbposition sorgte er im Verbund mit Aussenverteidiger Boubacar Traorè und Goalgetter Elie Youan für mächtig Wirbel. Vor allem sein Auftritt in der ersten Halbzeit beeindruckte nachhaltig, denn er überraschte die YB-Verteidiger mit viel Frechheit und Spiellust. Seine Qualitäten im Dribbling, die Unerschrockenheit und Risikofreude im Eins-gegen-Eins sowie Ballfertigkeit und technische Beschlagenheit, verleihen ihm ein überaus attraktives Gesamtpaket. Auch athletisch bringt Schmidt so einiges mit: Der 1,72m grosse Dribbelkünstler ist sehr agil, wendig und pfeilschnell. Der neue St.Galler Rohdiamant hat alle Anlagen, um zu einem Spielertypus à la Ruben Vargas heranzureifen.


In der Formation der St. Galler kommen den beiden äusseren Mittelfeldspielern auch essentielle Defensivaufgaben zu. Zwar fehlt ihm in diesem Punkt noch merklich das Gespür und die nötige Erfahrung, doch er zeigt sich auch in der Rückwärtsbewegung sehr umtriebig und giftig in den Duellen. Neben dem Defensivverhalten ist der Torabschluss eine weitere Baustelle. Noch wartet Schmidt nämlich auf seinen ersten Treffer im Profifussball – er hat auf diesem Level allerdings auch noch nie über einen längeren Zeitraum konstant spielen dürfen. Das ändert sich nun in St.Gallen. Auch im Bereich der offensiven Produktivität sind erste Fortschritte zu erkennen, zuletzt stand nur noch die Torumrandung einem ersten Treffer im Weg.


Mit bald 22 Jahren hat sich Schmidt etwas mehr Zeit für den Durchbruch gelassen als andere. Am Ende spielt das jedoch keine Rolle, denn über die fussballerischen Qualitäten verfügt er allemal. Sowohl für den FCSG, als auch für den jungen Angreifer selber hat sich der Transfer bereits ausbezahlt. Während Zeidler eine neue Geheimwaffe in den eigenen Reihen weiss, die sein Team ein Stück weit schwerer auszurechnen macht, erhält Schmidt selber endlich Vertrauen von seinem Trainer und die Zeit, die er zur Weiterentwicklung braucht. Auch menschlich haben die Espen dazugewonnen. Zeidler pries Schmidts "Soft-Faktoren" und seinen Wert in der Kabine bereits an. Dieser selber dazu: "Ich kann Mitspieler ermutigen, auch wenn ich selber nicht spiele. Ich kenne keine Eifersucht."





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