- Joel Trummer
Steter Blick nach Europa? Kaderanalyse Servette FC 2021/22
Aktualisiert: 24. Juli 2021
Die Saison 2021/22 steht vor der Tür. Zeit, auf die einzelnen Mannschaften zu blicken. In diesem Artikel widmen wir uns Servette Genf, welches die erfolgreiche Saison nach dem Aufstieg mit dem dritten Tabellenplatz, sowie dem Erreichen des Cup-Halbfinals bestätigen konnte. Wie könnten sich die Grenats in der neunen Saison verändern? Bolzplazz macht den Check.
Mit Servette Genf ist im Sommer 2019 nach sechsjähriger Abstinenz einer der erfolgreichsten Vereine der Schweiz in die Super League zurückgekehrt. Die Zuversicht, welche im Umfeld des Vereins gross war, konnte definitiv bestätigt werden. So konnte man sich nun zweimal in Folge in die europäischen Ränge spielen. Die guten Resultate sind kein Zufall, denn Servette ist nach langen Jahren des Leidens wieder auf ganzer Ebene seriös und standfest aufgestellt. Mit Alain Geiger hat man einen erfahrenen Trainer an der Seitenlinie, welcher sein Handwerk versteht. Ausserdem wurden einige Posten im Verein mit Leuten belegt, welche eine enge Bindung zum Verein haben – etwa Philippe Senderos, Sportdirektor, oder Lionel Pizzinat, Teammanager.
In der 2. Qualifikationsrunde der UEFA Conference League trifft man auf den amtierenden Meister aus Norwegen, Molde FK. Überstünde man diese erste grosse Hürde – trotz 0:3-Hypothek aus dem Hinspiel – wartet mit Trabzonspor gleich ein nächster namhafter Gegner. Die Gründung eines dritten Clubwettbewerbs hat bei vielen Fussballfans keine Begeisterung ausgelöst. Für Vereine wie Servette oder auch beispielsweise Luzern ist die Conference League jedoch eine Chance. Das Überstehen der Qualifikationsphase ist nicht unmöglich. Und danach kann es in der Gruppenphase zu sehr attraktiven Duellen kommen.

Im Anschluss wollen wir den Kader von Servette etwas genauer unter die Lupe nehmen. Das Grundkonstrukt der Mannschaft konnte zusammengehalten werden, von den Schlüsselspielern musste bis zum aktuellen Zeitpunkt einzig Gaël Ondoua abgegeben werden.
Für unsere Kaderanalyse blicken wir zuerst einmal auf die bestätigten Abgänge.
Joël Kiassumbua (29, TW, ablösefrei, Ziel unbekannt)
Gaël Ondoua (25, DM, ablösefrei, Ziel unbekannt)
Arial Mendy (26, LV, Clermont Foot 38)
Koro Koné (32, ST, Yverdon-Sport)
Alban Ajdini (21, ST, Stade-Lausanne-Ouchy)
Andrea Maccoppi (34, ZM, FC Chiasso)
Quentin Vieira (22, IV, GOAL FC)
Alexis Guerin (20, ST, Leihe zu Stade Nyonnais)
Lucas Monteiro (20, RV, Leihe zu Stade Nyonnais)
Matteo Regillo (19, ST, Leihe zu Etoile Carouge)
Während der aktuellen Transferperiode gibt es bereits einige Abgänge zu verzeichnen, am schmerzhaftesten ist definitiv der ablösefreie Verlust von Ondoua, der seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert, da er eine neue Herausforderung sucht. Welcher Verein ihm diese bieten kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Linksverteidiger Arial Mendy, der erst vor einem Jahr in die Schweiz stiess und nach ansprechendem Start in der Versenkung verschwand, wird seine Karriere im Herzen Frankreichs bei Clermont Foot fortsetzen. Die Mannschaft von Trainer Pascal Gastien hat sich in der abgelaufenen Saison nach über 20 Jahren zurück in die Ligue 1 gekämpft.
Mit Koro Koné konnte Yverdon-Sport einen erfahrenen Stürmer für sich gewinnen. In der vorletzten Saison war er in Genf mit über zehn Torbeteiligungen noch eine wichtige Stütze, zuletzt klebte ihm vor dem Tor aber das Pech an den Fersen. Sein Neuanfang hat sich im Laufe der Saison bereits abgezeichnet.
Im Folgenden gehen wir Position für Position durch und blicken auf mögliche Zuzüge und Abgänge:
Torwart
Wer bleibt? Jérémy Frick (28), Edin Omeragic (19)
Wer geht? Joël Kiassumbua (29, Ziel unbekannt)
Wer kommt? Steven Deana (31, MSV Duisburg)
Als Mitte Juni bekannt wurde, dass Jérémy Frick seinen Vertrag um weitere drei Jahre verlängert, dürfte so manchem Servette-Fan ein Stein vom Herzen gefallen sein. Mit 202 Pflichtspieleinsätzen gehört Frick innerhalb des Vereins zu den absoluten Identifikationsfiguren. Der Goalie zeigt seit Jahren konstant gute Leistungen und ist mit seiner Persönlichkeit auf und neben dem Platz von enormer Bedeutung. Dass sich im letzten Jahr die Berner Young Boys und Montpellier gerüchtehalber mit ihm beschäftigt haben sollen, sagt einiges über seine Qualität aus.
Mit Steven Deana konnte man einen erfahrenen Torhüter verpflichten, welcher die Rolle von Kiassumbua als klare Nummer 2 übernehmen wird. Gemäss den Angaben von Sportchef Senderos soll Deana für Frick unterstützen und bei der Ausbildung von Talent Omeragic mithelfen.
Rechtsverteidiger
Wer bleibt? Anthony Sauthier (30), Moussa Diallo (24)
Wer geht? Lucas Monteiro (20, Stade Nyonnais)
Wer könnte kommen? Adrian Gantenbein (20, FC Winterthur)
Auf der rechten Abwehrseite wird Captain Anthony Sauthier auch diese Saison gesetzt sein. Der Ur-Genfer, welcher abgesehen von einem Abstecher zum FC Sion (2009-2013) ununterbrochen für seinen Jugendverein spielte, geht mittlerweile in seine 9. Saison mit Servette. Genauso wie Goalie Frick gehört er zum Herzstück dieser Mannschaft und ist für Trainer Alain Geiger unverzichtbar – auch wenn seine Leistungen in der letzten Saison nicht über alle Zweifel erhaben waren.
Mit Moussa Diallo, welchen Servette im letzten Sommer ablösefrei vom französischen Drittligisten SO Cholet verpflichtet hat, steht ein solides Backup bereit. In seiner Debütsaison in Genf spulte er 20 Super League-Einsätze (1 Assist) mit in der Regel soliden Leistungen ab. Gerade im Hinblick auf die mögliche Dreifachbelastung könnte er sehr wertvoll werden.
Perspektivisch muss sich natürlich auf der RV-Position etwas tun. Ein junger, dynamischer Rechtsverteidiger mit Potential könnte dem Konkurrenzkampf guttun. Es würde sich ein Blick in die Challenge League anbieten: Beim FC Winterthur hat sich im letzten Jahr Adrian Gantenbein in den Vordergrund gespielt. Der junge Rechtsverteidiger bewegt sich noch unter dem Radar bringt aber viel Qualität mit: Er ist schnell, robust und offensiv orientiert. Vor wenigen Wochen feierte er sein Debüt in der Schweizer U21-Nati. Seine Verpflichtung wäre eine schlaue Investition in die Zukunft, die gleichzeitig bereits eine Soforthilfe darstellen könnte.
Linksverteidiger
Wer bleibt? Gaël Clichy (35), Yoan Severin (24)
Wer geht? Arial Mendy (26, Clermont Foot), Robin Busset (20, SC Kriens), Quentin Vieira (22, GOAL FC)
Wer kommt? Malik Sawadogo (18, Servette U18)
Mit der Verpflichtung on Gaël Clichy konnte Servette Anfang Dezember vergangenen Jahres einen echten Transfercoup landen. Der französische ex-Nationalspieler und dreifache englische Meister suchte nach seinem dreijährigen Engagement in Istanbul eine neue Herausforderung. Clichy gehört seit Beginn seines Engagements in Genf zum Stammpersonal und wurde sofort zum Herz der Equipe.
Mit Yoan Severin stünde ein variabel einsetzbarer Defensivspieler als Alternative zur Verfügung, der gelernter Linksverteidiger ist. Er wurde in der vergangenen Saison allerdings überwiegend in der Innenverteidigung eingesetzt. Daher ist das Clichy-Backup ein Talent aus dem eigenen Nachwuchs: U18-Nationalspieler Malik Sawadogo gehört die Zukunft, ab sofort ist er Teil der 1. Mannschaft und als Ersatzlösung für Oldie Clichy eingeplant.
Innenverteidigung
Wer bleibt? Vincent Sasso (30), Nicolas Vouilloz (20), Steve Rouiller (31)
Wer geht? -
Wer kommt? Mathis Magnin (19, Leihrückkehrer), Roggerio Nyakossi (17), Noah Henchoz (19), Diogo Monteiro (16). Alle eigener Nachwuchs.
Die Innenverteidigung ist eine Schwachstelle. Mit Rouiller und Sasso hat man zwar zwei erfahrene Spieler im Kader, trotzdem wirkte die Zentrale der Viererkette in der letzten Saison nicht immer sattelfest. Auch im Conference-League-Quali-Hinspiel gegen Molde (0:3) wurden die defensiven Mängel gnadenlos aufgezeigt. Tempodefizite und eine allgemeine Behäbigkeit liessen die beiden Routiniers nicht immer vorteilhaft aussehen. Dass man im Vergleich zu den anderen Teams der Liga in puncto Gegentoren in der letzten Saison nicht allzu schlecht dastand, hat man vor allem auch Goalie Frick zu verdanken. Es erstaunt daher, dass Servette wohl nur mit zwei gestandenen Innenverteidigern in die Saison gehen wird.
Daneben verfügt Servette aber über mehrere talentierte junge Innenverteidiger aus dem eigenen Nachwuchs, bei denen Diogo Monteiro und Roggerio Nyakossi herausragen. Die beiden Eigengewächse waren Teil der erfolgreichen Genfer U18-Mannschaft, die in diesem Frühling den Cup gewann. Mit ihnen verfolgt man konkrete Pläne, beiden absolvierten die Vorbereitung mit den Profis und werden in der kommenden Saison Spielzeit erhalten. Genau wie Nicolas Vouilloz, dem man vielerorts ebenfalls eine gute Entwicklung zutraut.
Zentrales Mittelfeld
Wer bleibt? Théo Valls (25), Timothé Cognat (23), Boris Cespedes (26), Ricardo Alves (19), Kastriot Imeri (21), Alexis Antunes (20)
Wer geht? Gaël Ondoua (25, Ziel unbekannt), Andrea Maccoppi (34, FC Chiasso)
Wer kommt? David Douline (28, Rodez AF)
Das zentrale Mittelfeld ist grundsätzlich gut besetzt. Gerade auf das Duo Valls / Cognat war in der abgelaufenen Saison stets Verlass. Cognat hat seinen Vertrag kürzlich um weitere drei Jahre verlängert, was enorm wichtig war. Dazu ist mit Eigengewächs Kastriot Imeri ein vielversprechendes Talent aus dem eigenen Nachwuchs heiss darauf, das nächste Level zu erreichen. Bemerkenswert ist, dass Servette Imeri ebenfalls längerfristig an sich binden konnte. Das Binden der jungen Talente ist Teil der neuen Strategie, in der Vergangenheit hatte man oft damit zu kämpfen, dass hochveranlagte Spieler den Verein sehr früh verliessen, ohne jemals für die erste Mannschaft gespielt zu haben. Beispiele dafür sind etwa Kevin Mbabu oder YB-Neuverpflichtung Alexandre Jankewitz.
Im defensiven Mittelfeld konnte man mit der Verpflichtung von David Douline auf den Abgang von Gaël Ondoua reagieren. Hierzulande eher unbekannt, hat sich Douline in der französischen Ligue 2 in der letzten Saison einen guten Namen gemacht. Er gehörte statistisch zu den besten auf seiner Position und war bei Rodez AF eine absolute Stammkraft. Trotz mehreren Angeboten aus der Ligue 1 entschied er sich für einen Wechsel in die Schweiz. Kann er die Leistungen aus dem Vorjahr wiederholen, wird er Ondoua gut ersetzen können. Der bolivianische Nationalspieler Boris Cespedes wird wohl die Rolle als dessen Stellvertreter einnehmen.
Flügel
Wer bleibt? Miroslav Stevanovic (30), Boubacar Fofana (22),
Wer geht? Alban Ajdini (21, Stade Lausanne-Ouchy)
Wer kommt? Ronny Rodelin (31, EA Guingamp), Papu Mendes (20, Racing Strasbourg), Nils Pédat (20, Servette U21)
Auf der rechten Aussenbahn hat Servette mit Miroslav Stefanovic einen Mann im Kader, welcher bezüglich individueller Qualitäten zu den Besten der Liga gehört. Fofana ist mit seinem guten Antritt und spektakulären technischen Fertigkeiten ein interessanter Mann für die Zukunft, hat sich in der Sommervorbereitung aber schwer verletzt und wird lange fehlen. Auf den offensiven Aussen wurde daher gleich doppelt nachgelegt: Einerseits stiess Ronny Rodelin aus der Ligue 2 in die Super League. Der 1,92m grosse Angreifer ist offensiv variabel einsetzbar und kann über 200 Spiele in der Ligue 1 vorweisen. Mit Papu Mendes ist zudem ein hierzulande unbekannter, technisch starker Flügel aus dem Elsass an den Genfersee gewechselt. Man darf gespannt sein auf ihre ersten Einsätze für Servette.
Sturm
Wer bleibt? Grejohn Kyei (25), Alex Schalk (28)
Wer geht? Koro Koné (32, Yverdon Sport)
Wer könnte kommen? Ivan Prtajin (25, FC Schaffhausen)
Mit Schalk und Kyei stehen momentan zwei gute Mittelstürmer im Kader der Genfer, wobei Schalk im System, welches letzte Saison meistens gespielt wurde, als Flügelstürmer auflief. Der «Bomber von Breda», wie der Niederländer genannt wird, überzeugt durch viel Intensität, Aggressivität und Torhunger. Kyei hat in der letzten Saison seine Fesseln gelöst und schwang sich mit 12 Treffern zum Genfer Toptorjäger auf. Der französisch-ghanaische Angreifer ist beweglich und physisch robust zugleich, zuletzt gab es Gerüchte von Interesse aus einer grösseren Liga. In puncto Effizienz muss sich Kyei allerdings noch verbessern, seinen Expected Goals-Wert hat er massiv unterboten.
Servette könnte sich über einen zusätzlichen Stossstürmer nicht beklagen, vor allem, weil Schalk meist über die Aussen kommt. Erneut würde sich ein Blick in die Challenge League anbieten: Ivan Prtajin zählte in der letzten Saison zu den besten Stürmern des Unterhauses. Der Kroate hat für den FC Schaffhausen 14 Tore erzielt, stand aber etwas im Schatten von Sturmkollege Pollero (19 Tore). Prtajin war in der vergangenen Spielzeit ein sehr klinischer Angreifer, der seine Chancen sofort nutzte und nur wenige Gelegenheiten brauchte. Anders als Kyei hat er die Expected Goals überboten, sprich er hat mehr Tore erzielt, als ihm eigentlich aufgrund der Qualität der Chancen möglich gewesen wäre. Ihn könnte man hinter Kyei aufbauen und einen gesunden Konkurrenzkampf forcieren.
Die Servette-Elf könnte sich 2021/22 in etwa so präsentieren:
