- Emanuel Staub
Schweizer Legionäre: Österreich
In der Serie "Schweizer Legionäre" werden alle Schweizer Fussballer, die im Ausland unter Vertrag stehen, vorgestellt. Auch unbekannte Spieler aus weniger beachteten Ligen sollen ins Spotlight gerückt werden. Der dritte Beitrag der neuen Serie ist Schweizer Spielern in Österreich gewidmet.
Österreich auf dem Vormarsch
Die Österreichische Bundesliga hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Angeführt von Red Bull Salzburg und seiner "RB-Philosophie", die das Fördern junger Talente und das Zelebrieren temporeichen Offensivfussballs vorsieht, hat sich unser Nachbarland im Eiltempo an vergleichbaren Ligen vorbeigeschoben.
Aktuell steht die Österreichische Bundesliga auf dem 10. Rang der UEFA-Fünfjahreswertung, während die Schweiz auf den 19. Platz (!) abgerutscht ist.
Von den stetigen Europacup-Erfolgen Red Bull Salzburgs (2017/18: Europa League-Halbfinale, 2019/20: erstmalige Champions League-Teilnahme inkl. 6:2-Sieg vs Genk) profitiert der ganze Österreichische Fussball. Die gesamte Liga wurde einerseits ins Scheinwerferlicht gerückt und damit zu einer attraktiven Destination für hoffnungsvolle Talente aus aller Welt, andererseits konnten sich die anderen Vereine von Salzburg inspirieren lassen: Teile des RB-Erfolgsrezepts wurden auch von anderen Klubs erfolgreich implementiert.
Vereine wie der LASK (Siege in der Europa League gegen Eindhoven, Sporting oder Alkmaar), der Wolfsberger AC (Siege gegen Gladbach, Feyenoord oder ZSKA Moskau) oder Rapid Wien verdienten sich in den letzten Jahren international ebenfalls ihre Sporen ab.
Diese kontinuierlichen Erfolgserlebnisse sorgten für einen Zustrom an Europacup-Punkten und Geld für die ganze Bundesliga.
In der heimischen Liga hat sich indes Red Bull Salzburg seit Jahren als das Mass aller Dinge festgesetzt. Ähnlich wie in der Schweiz der FC Basel oder aktuell die BSC Young Boys, dominiert Salzburg das nationale Geschehen von A-Z. Alles andere als der 8. Meistertitel in Serie wäre in diesem Jahr eine grosse Überraschung.
Um der sportlichen Langeweile entgegenzuwirken, gibt es seit der Saison 2018/19 einen neuen Modus: Nach 22 Spieltagen wird die Tabelle geteilt und die Punkte halbiert: In der Meisterschaftsgruppe wird um den Titel und die Europa-Plätze gespielt, während es in der Abstiegsgruppe ums Überleben geht.

Weltstars aus Österreich
Als grösste Stärke des RB-Systems kann ohne Zweifel die Nachwuchsarbeit und das Scouting bezeichnet werden. Salzburg hat durch seine einzigartige Ausbildung einen ganz besonderen Reiz für junge Talente weltweit. Vielversprechende Teenager werden entdeckt, billig zu sich gelotst und zu überragenden Fussballern ausgebildet, ehe sie für Millionenbeträge in grössere Ligen verkauft werden.
Salzburg hat dieses Konzept in den letzten Jahren perfektioniert. Die bekanntesten Namen, die ihrer Schule entstammen, können mit Fug und Rechts als wahre Weltstars bezeichnet werden: Sadio Mané, Dayot Upamecano, Erling Haaland, Naby Keita und Dominik Szoboszlai sind nur eine Handvoll der Spieler, die ihre Karrieren allesamt in Salzburg begannen.
Das RB-System darf und soll kritisch betrachtet werden. Jedoch muss man neidisch anerkennen, dass in Österreich, insbesondere in Salzburg, herausragende Arbeit geleistet wird. Der Fussball, der gespielt wird, ist hochattraktiv und die Spieler, die hervorgebracht werden, sind eine Bereicherung für den gesamten Sport. Auf das Know-How, das sich in den letzten Jahren in der Österreichischen Bundesliga angesammelt hat, kann man aus Schweizer Sicht nur eifersüchtig sein.
Schweizer in Österreich
Dafür, dass Österreich und die Schweiz vergleichbare Nachbarländer sind, gibt es erstaunlich wenig personeller Austausch. Aktuell sind gerademal sieben professionelle Schweizer Fussballer in den höchsten zwei Ligen Österreichs engagiert. Genauso viele Österreicher verdienen ihr Geld in der Super League oder in der Challenge League.
Trotzdem haben in den vergangenen Jahren gerade zwei spezifische Transfers zwischen den beiden Ligen für Aufsehen gesorgt.
2016 warb Red Bull Salzburg den israelischen Stürmer Munas Dabbur (28) von GC ab. Zu dieser Zeit war er als frischgebackener Torschützenkönig der überragende Angreifer der Liga. Dabburs Wechsel wurde mit Erstaunen hingenommen, kaum jemand hätte vermutet, einen Spieler wie ihn würde es in eine vermeintlich schwächere Liga ziehen. Ein erstes Zeichen für den Trendwechsel?
Das endgültige Signal für diesen erfolgte im Winter 2020: Red Bull Salzburg legte die Rekordsumme von 11 Millionen Euro auf den Tisch, um das Schweizer Toptalent Noah Okafor (20) vom FC Basel loszuseisen – ein Betrag, den kein Super League-Verein stemmen könnte. Fortan war auch in der Schweiz die Erkenntnis eingetroffen, dass man von Österreich abgehängt wurde.
Noah Okafor, 20: FC Red Bull Salzburg
Ohne jeden Zweifel ist Noah Okafor derzeit der bekannteste Schweizer Fussballer in Österreich. Beim FC Basel ging sein Stern dank brachialem Tempo, begeisternden Dribble-Skills und herrlichen Schlenzer-Toren so richtig auf. Der Youngster wurde im Sommer 2019 für seine überragenden Leistungen in der Super League gar mit einem Nati-Aufgebot belohnt. Seither wartet man aber darauf, dass Okafor den nächsten Schritt nimmt. Weder beim FC Basel, wo er mit seinen Einsatzzeiten nicht einverstanden war, noch bei seinem neuen Verein, Red Bull Salzburg, ist ihm dieser bislang geglückt. Der Österreichische Branchenprimus lotste das Schweizer Juwel im Winter 2020 über die Grenze. Die Millionen konnte der Flügelstürmer mit 12 Scorerpukten (8 Tore, 4 Assists) in 35 Spielen aber noch nicht zurückzahlen. Verletzungen und die harte Konkurrenz haben es ihm seit seiner Ankunft nicht leicht gemacht. Es bleibt weiterhin ein Warten auf Okafors endgültigen Durchbruch.
Grégory Wüthrich, 26: SK Sturm Graz
Ein Spieler, den man hierzulande schon fast vergessen hatte, spielt in der Bundesliga aktuell gross auf: Ex-YB-Junior Grégory Wüthrich. Der 1,92m grosse Innenverteidiger wechselte im letzten Sommer aus Australien nach Graz, wo er auf Anhieb zum Leistungsträger und unbestrittenen Stammspieler wurde. Mit Wüthrich als Anker stellt Sturm Graz die beste Defensive der Liga, in 22 Partien kassierte man gerademal 20 Treffer. Der Schweizer Abwehrrecke besticht in Österreich durch Überlegenheit in der Luft und auf dem Boden: Mit knapp 70% gewonnener Kopfballduelle und 72% erfolgreicher Defensivduelle gehört Wüthrich zu den zweikampfstärksten Spielern der Liga. Für Graz hat sich der Zuzug des Schweizer Hünen als absoluter Glücksgriff entpuppt. Mit seinen exzellenten Leistungen hat sich Wüthrich aber bereits für andere Vereine interessant gemacht. Seinen Weg darf man gespannt weiterverfolgen...

Alain Wiss, 30: SCR Altach
Routinier Alain Wiss bestritt 281 Super League Partien für den FC Luzern und den FC St. Gallen, ehe es ihn im Winter 2020 zum SCR Altach in die Österreichische Bundesliga zog. Der defensive Mittelfeldspieler ist beim ex-Klub von Dimitri Oberlin aber noch nicht über eine Statistenrolle hinausgekommen. 10 Auftritte in der Liga verzeichnet Wiss in dieser Saison, dabei spielte er aber nur ein einziges Mal über 90 Minuten. Das grosse Glück hat er bei Altach noch nicht gefunden.
Bryan Okoh, 17: FC Liefering
Bryan Okoh wird zu den grössten Schweizer Talenten überhaupt gezählt. Der U18-Nationalspieler wechselte im Sommer 2019 aus dem Nachwuchs von Lausanne-Sport zu Red Bull Salzburg. Umgehend wurde der 1,87m grosse Innenverteidiger zum Farmteam in der zweiten Liga, dem FC Liefering, weiterverliehen. Dort soll Okoh an den Profifussball herangeführt werden, ehe er bereit für den Sprung in Salzburgs erste Mannschaft ist. 14 Partien hat Okoh bislang absolviert, seit diesem Winter ist das 17-jährige Toptalent Stammspieler und erzielte sogar jüngst per Kopf sein Debüttor. Extrem zweikampfstark, agil und schnell: Okoh ist ein Rohdiamant, der im RB-System beste Bedingungen geboten bekommt, um zu reifen. Sein Talent ist nicht unbemerkt geblieben: Da er in Texas geboren wurde, besitzt er auch den US-Pass. Erste Gerüchte kamen auf, wonach der Amerikanische Verband bereits an Okoh baggert. Der SFV darf ein Juwel wie ihn auf keinen Fall verlieren!
Enrique Wild, 21: FC Juniors OÖ
Ebenfalls in der zweiten Liga engagiert ist Linksverteidiger Enrique Wild. Der Frauenfelder wechselte im vergangenen Sommer ablösefrei vom FC Winterthur nach Österreich. Der ehemalige U20-Nationalspieler spielte sich auf Anhieb fest, fehlte dann aber für längere Zeit. Nun ist der schnelle Aussenläufer zurück im Team und tastet sich wieder an die erste Elf heran. Mit 21 Jahren ist er nach wie vor im Talentalter. Wild besitzt durchaus Potential und wird sein Können früher oder später garantiert auch in einer ersten Liga unter Beweis stellen, nachdem er bereits Challenge League- und Österreichische Zweitligaerfahrungen gesammelt hat.
Haris Tabakovic, 26: Austria Lustenau
Haris Tabakovic, ehemaliger Stürmer von YB und GC, scheint endlich sein Glück gefunden zu haben. Auf diese Saison hin wechselte er aus der ersten Liga Ungarns zu Austria Lustenau, wo er stark performt. In 16 Partien für seinen neuen Klub stehen 12 Tore und 3 Vorlagen zu Buche – eine Traumbilanz. Der gebürtige Solothurner absolvierte 15 Partien für die Schweizer U21 und galt stets als grosses Sturm-Versprechen. Seine tolle Saison hat er sich durch viel Geduld und Leidensfähigkeit verdient. Und wer weiss, vielleicht geht es für Tabakovic ja jetzt noch weiter rauf...

Ismet Osmani, 20: Austria Lustenau
Mit Ismet Osmani gehört ein weiterer Schweizer zum Kader von Austria Lustenau. Der Mittelfeldspieler kam in der letzten Saison auf vier Einsätze, wartet aber noch auf seine Chance in der aktuellen Spielzeit. Im Winter 2019 wechselte der Liestaler aus der U19 von Concordia Basel in den Nachwuchs von Austria Lustenau.
Schweizer im Ausland: https://www.aargauerzeitung.ch/sport/diese-schweizer-fussballer-sorgen-abseits-der-grossen-glanzlichter-fur-spektakel-in-der-ganzen-welt-ld.2078709
Werdegang der YB-Talente Wüthrich, Tabakovic & co.: https://www.bernerzeitung.ch/was-machen-eigentlich-alioski-frey-und-co-841408052694
Okafor verpasst die U21-EURO: https://www.4-4-2.com/nati/schweizer-nationalmannschaft/noah-okafor-verpasst-die-u21-em/