Kwadwo Duahs steiler Aufstieg – vom FC Wil in den Dunstkreis der Nati

Nachdem in der Vorrunde die fehlende Effizienz oftmals das grosse Problem war, erzielt der FC St.Gallen im Jahr 2022 bislang Tore am Laufmeter. Der Hauptverantwortliche für diese positive Entwicklung trägt die Nummer 11 und heisst Kwadwo Duah (25). Was macht ihn aktuell so stark?

Duah, im Sommer 2020 als Ersatz für Cedric Itten vom Kantonsrivalen aus Wil verpflichtet, war bereits in der letzten Saison der beste Torschütze des FC St.Gallen. In seiner ersten ganzen Spielzeit in der Super League gelangen ihm 9 Treffer, dazu verzeichnete er 3 Torvorlagen – auf dem Papier eine gute Bilanz. Trotz der insgesamt respektablen Scorerausbeute waren seine Leistungen bis vor kurzem aber relativ schwankend. Zu wenig Überzeugung und Konsequenz in der Box führten zu längeren Durststrecken. In der Hinrunde der laufenden Saison erzielte Duah so gerademal 3 Treffer und blieb monatelang ohne Erfolgserlebnis. Trotz guter Laufwege und vielversprechenden Abschlusspositionen zeigte sich der Rechtsfuss vor dem Tor wenig konstant und liess immer wieder die ein oder andere hochkarätige Chance liegen.

Dazu passt unsere kürzlich veröffentlichte Analyse, die Duah in der Hinrunde der laufenden Saison gemeinsam mit YB’s Ngamaleu auf Basis des xG-Modells als ineffizientesten Angreifer der Liga ausgemacht hat. Oft schien ihm die letzte Entschlossenheit oder die Konzentration vor dem Tor zu fehlen, um mehr Zählbares aus seinen Möglichkeiten herausholen zu können. Das ist mit dem Jahreswechsel aber passé. Plötzlich trifft Duah wie er will und steht sogar im erweiterten Kreis des Schweizer Nationalteams.

Traumstart ins Jahr 2022

Seit der Jahreswende spielt der FCSG gross auf. In der Rückrunde sind die Espen nach 9 Partien immer noch ungeschlagen und begeistern mit spektakulärem Offensivfussball. Mit bislang 8 Treffern seit Beginn der 2. Saisonhälfte, ist Duah der erfolgreichste Super-League-Torschütze 2022. Die Ostschweizer haben nach den Abgängen von Cedric Itten und Ermedin Demirovic nun endlich wieder einen Stürmer im Kader, der in einer Ligasaison zweistellig trifft, insgesamt steht Duah aktuell bei 11 Toren und 3 Vorlagen. Doch nicht nur die blanken Zahlen sprechen für den Aufschwung des Angreifers, auch seine Körpersprache wirkt stark verbessert. Beobachtet man ihn genauer, erkennt man, dass er mittlerweile mit einem ganz neuen Selbstverständnis auf dem Rasen steht. Er wirkt mental frischer und tritt mit breiter Brust auf, stets in der Überzeugung, jederzeit ein Tor erzielen zu können.

Mit ein Grund für die plötzliche Veränderung dürfte die Systemumstellung sein, die Peter Zeidler ausgearbeitet hat. Seit einigen Partien lässt der Deutsche viel variabler spielen und klammert sich nicht mehr an seine einst heilige Doppelspitze. Mehrheitlich laufen die Grün-Weissen nun in einem 4-3-3-System auf, in dem Duah als alleiniger Neuner, flankiert von zwei Flügelstürmern (meist Guillemenot und Von Moos), bestens zur Geltung kommt. Speziell das Zusammenspiel mit Jérémy Guillemenot funktionierte zuletzt hervorragend. Sie legen sich nicht nur gegenseitig Tore auf, sondern ergänzen sich auch im Pressing bestens.

Dass Duah als Stossstürmer nun zur Höchstform aufläuft ist insofern erstaunlich, als dass er bei seinen früheren Stationen häufig auch als Flügel zum Einsatz kam. Über den FC Bethlehem stiess er 2008 in die Nachwuchsabteilung des BSC Young Boys, wo er über die Jahre diverse Offensivpositionen bekleidete. Als er schliesslich einen Profivertrag in der Bundeshauptstadt ergattern konnte, wurde er insgesamt an drei verschiedene Challenge-League-Klubs ausgeliehen. Seine Gastspiele bei Xamax, Winterthur und Servette waren allerdings nicht so von Erfolg gekrönt, als dass er sich bei YB für eine grosse Rolle hätte aufdrängen können. Die Ansätze waren zwar da, doch Duah kam bei seinem Ausbildungsverein nur zu 14 Einsätzen in der 1. Mannschaft. Erst der definitive Wechsel zum FC Wil brachte seine Karriere so richtig ins Rollen und den berühmten Knoten zum Platzen. In Wil agierte er auf beiden Aussenbahnen sowie im Sturmzentrum und empfahl sich mit 17 Scorerpunkten für einen Transfer zum FCSG – wo er spätestens jetzt so richtig eingeschlagen hat.

Der ideale Neuner für Zeidler

Duahs grösste Stärke ist sein hohes Tempo und seine Athletik. Damit passt er optimal in die Spielphilosophie der Espen, die mit schnellen, vertikalen Bällen in die Spitze agieren und den Gegner hoch und intensiv anlaufen. Mit seinem guten Antritt entwischt Duah den meisten Verteidigern schon auf den ersten Metern. Gepaart mit seiner Körpergrösse von 1,85m, die er wuchtig einzusetzen weiss, bringt er sowohl als Sprinter als auch in direkten Duellen hervorragende Voraussetzungen mit. Athletisch gibt es in der Schweiz kaum einen anderen Stürmer, der über so vielversprechende Anlagen wie Duah verfügt.

Peter Zeidler dürfte also froh sein, für seinen äusserst sprintintensiven Fussball einen so geeigneten Angreifer in den eigenen Reihen zu haben. Die physischen Fähigkeiten helfen Duah nicht nur im Angriff, sondern auch in ebenfalls geforderten Defensivaktionen. Im aggressiven St.Galler Pressing gibt Duah an vorderster Front jedenfalls eine gute Figur beim Anlaufen ab. Im Vergleich zu seiner Anfangszeit beim FCSG hat Duah in den letzten Monaten zudem nochmals deutlich an Muskelmasse und Durchsetzungskraft hinzugewonnen. Dies könnte ein weiteres Zeichen dafür sein, dass seine Transformation vom Aussenläufer zum Abschlussstürmer vollendet ist.

Apropos Abschluss: In dieser Kategorie ist Duah ligaweit der Aktivste, kein anderer Super-League-Stürmer schiesst so häufig aufs Tor wie er. Schon in der letzten Saison gehörte der Berner mit ghanaischen Wurzeln bei der Anzahl abgegebener Schüsse und bei jenen auf das Tor zur Top 10. In der aktuellen Spielzeit konnte er sich gar nochmals steigern und liegt mit 81 Abschlüssen, von denen 34 auf den gegnerischen Kasten kamen, jeweils auf dem 1. Rang.

Seine durchschnittlich 4,60 Schüsse pro 90 Minuten zeigen, dass Duah nicht lange fackelt und sich durch clevere Laufwege stets in aussichtsreiche Abschlusspositionen bringt. Gerade der letzte Punkt ist eine grosse Stärke und hat viel mit Instinkt zu tun – spürt ein Stürmer, wo er hinlaufen muss, wird er früher oder später zu seinen Toren kommen.

Technisch hat Duah in den letzten Monaten einen Schritt nach vorne gemacht. Versprangen ihm früher hie und da die Bälle, verarbeitet er Zuspiele mittlerweile sehr sauber oder schirmt die Kugel gekonnt ab. Ein Dribbelkünstler auf engem Raum oder ein versierter Ballverteiler wird Duah zwar nicht mehr, aber das muss er auch gar nicht. Seine Qualitäten liegen in anderen Bereichen: Hat er Platz vor sich, ist er dank seiner Geschwindigkeit und seiner Wucht kaum mehr zu verteidigen.

Auch Murat Yakin hat Duah auf dem Zettel

Duahs Vertrag in der Ostschweiz läuft in diesem Sommer aus, es gibt aber eine eingebaute Option für ein weiteres Jahr. Bislang war es in der Öffentlichkeit erstaunlich ruhig um eine möglichen Vertragsverlängerung. Im Hintergrund wird Sportchef Alain Sutter jedoch alle Hebel in Bewegung setzen, um Duah längerfristig an den FCSG zu binden. In der aktuellen Verfassung ist der Torjäger absolut unverzichtbar für das grün-weisse Kollektiv.

Auch Nationaltrainer Murat Yakin ist die positive Entwicklung des FCSG-Stürmers aufgefallen. Der neue Nati-Coach misst der Super League einen höheren Stellenwert bei, als es sein Vorgänger Petkovic tat. Performt jemand im heimischen Championat herausragend, hat er reelle Chancen auf ein Nati-Aufgebot. Yakin reagierte auf Duahs Topform, indem er ihn für die bevorstehenden Testspiele gegen England und Kosovo erstmals auf Abruf nominierte. Verletzt sich jemand, könnte Duah nachrücken. Der pfeilschnelle Angreifer ist aber nicht der einzige Super-League-Akteur, der es auf die Pikett-Liste geschafft hat: Antonio Marchesano (FCZ), Mattia Bottani (Lugano), Jérémy Guillemenot (FCSG) und Leonidas Stergiou (FCSG) befinden sich allesamt ebenfalls zum ersten Mal in Reichweite der Nati. Für Duah ist dies ein toller Lohn für die sensationellen zurückliegenden Wochen. Seinen letzten Auftritt in den Schweizer Farben verzeichnete er 2017 mit der U20-Nationalmannschaft.

Wird die FCSG-Rakete seine beeindruckende Torquote konservieren können, dürfte nicht nur der Nati-Coach, sondern bald auch Interessenten aus dem In- und Ausland anklopfen. Mit seinen 25 Jahren ist Duah grundsätzlich im perfekten Alter für eine neue Herausforderung. Diese ist ihm zweifelsohne zuzutrauen und doch wäre ein langfristiger Verbleib im «Projekt FCSG» sicherlich kein schlechter Rat. Er hat beim FC St.Gallen ein auf seine Stärken zugeschnittenes Spielsystem, ein ambitiöses und doch familiäres Umfeld sowie ein voll auf ihn setzender Trainer. Dass er solche weichen Faktoren braucht um aufzublühen, hat die Vergangenheit gezeigt.

Share the Post: