«In dieser Saison will ich explodieren» – Interview mit YB-Sturmhoffnung Samuel Ballet

Er gilt als eines der grössten Schweizer Sturmtalente: Samuel Ballet, 20 Jahre alt, wurde bei YB ausgebildet und startet nun in seine zweite Saison als Leihspieler beim FC Winterthur. Bolzplazz hat den Schweizer U-Nationalspieler zum Gespräch getroffen. Der dribbelstarke Angreifer spricht über seine Ambitionen, seine Erfahrungen in der Challenge League und sein YB-Debüt.

Hallo Samuel! Sprichst du deinen Vornamen eigentlich Französisch oder Deutsch aus?

Ich bin bilingue aufgewachsen, von dem her kann man meinen Namen auf beide Arten aussprechen.

Du bist aus der Stadt Bern, richtig?

Ja, genau. Ich bin in Ittigen aufgewachsen, in einem Quartier unweit des Stadions. Viele supporten dort YB, der Klub hat eine grosse Bindung zu den Berner Quartieren.

Was hast du für eine Verbindung zu YB?

Eine sehr starke. Ich habe bei YB in der U9 begonnen, habe damals zu den älteren Spielern aufgeschaut und stets Kontakte zu den Profis gehabt. Als Kind ging ich an alle Spiele, wenn du so nahe am Stadion aufwächst bist du direkt mit dem Klub verbunden.

Du hast im Februar 2020 ein traumhaftes Profi-Debüt für YB erlebt: Du wurdest in der Schlussphase gegen Lugano eingewechselt und hast sogleich getroffen. Erzähl uns ein bisschen von diesem besonderen Erlebnis.

Das Spiel war an einem Sonntag. Am Samstag war ich noch mit der U21 an einem Drei-Mannschaften-Turnier in Zürich unterwegs. Bereits im Vorfeld hatte ich mitbekommen, dass ich wahrscheinlich für die erste Mannschaft aufgeboten werden könnte. Ich hatte bereits die ganze Woche mit dem Eins trainiert und gute Gespräche mit dem Trainerteam geführt. Nach dem Turnier wurde ich dann von Staffmitgliedern abgeholt, die mich direkt ins Tessin mitnahmen. Als sie mir sagten, ich sei definitiv dabei, wurde mir schon ein bisschen «kribblig» zumute. Erst als ich ankam, habe ich dann realisiert, dass ich wohl tatsächlich zum Einsatz kommen würde. Der Trainer ging auf mich zu und eröffnete mir, dass ich wohl mein Debüt würde feiern können. Weil ich mich mit Felix Mambimbi sehr gut verstehe, war ich dann im Hotel mit ihm im Zimmer. Am nächsten Tag kam ich dann tatsächlich in die Partie. Mein Schmunzeln musste ich wegen den Kameras etwas zurückhalten. Als ich dann das Tor erzielt habe, realisierte ich erst gar nicht, was genau passiert ist, sondern ich holte direkt den Ball aus dem Netz. Erst nach dem Spiel wurde es mir bewusst, als ich hunderte Nachrichten bekam. Am nächsten Tag habe ich dann mitbekommen, dass mir ein Super League-Rekord gelungen ist, das schnellste Debüt-Tor.

„Als ich dann das Tor erzielt habe, realisierte ich erst gar nicht, was genau passiert ist, sondern ich holte direkt den Ball aus dem Netz.“

Bis jetzt ist noch kein weiterer Einsatz für YB dazugekommen. Das hat aber einen Grund: Du hast die gesamte letzte Saison auf Leihbasis in der Challenge League verbracht und wirst auch die kommende Spielzeit dort verbringen. Wie fällt deine persönliche Bilanz nach der letzten Saison aus?

Für das Potential das ich habe, habe ich noch zu wenig auf den Platz bringen können. Der Unterschied zur Super League ist relativ gross. Die Challenge League ist meiner Meinung nach schwerer zu bespielen als die Super League, denn es geht mehr über Kampf und weniger übers Spielerische. Als Spieler, der gerne frech spielt und einzelne Aktionen provozieren will, hatte ich mit diesen Bedingungen zum Start ziemlich Mühe. Mit der Zeit habe ich aber immer besser reingefunden und konnte einige tolle Spiele zeigen. Ich war in dieser Zeit auch noch mit meiner Lehre beschäftigt und lebte zum ersten Mal alleine, was natürlich auch viel Zeit und Energie beanspruchte. Für mein Empfinden haben im letzten Jahr insgesamt einfach die Statistiken noch etwas gefehlt.

Die Saison 2020/21 hast du auf Leihbasis beim FC Wil unter Alex Frei begonnen. Der Klub ist ja bekannt dafür, mit jungen Spielern zu arbeiten. Trotzdem ging es nach nur einem halben Jahr weiter zum FC Winterthur. Was hat in Wil nicht gepasst?

Von Anfang an war der FC Winterthur an mir interessiert, Stade-Lausanne-Ouchy ebenfalls. Ich tendierte schon dort eher in Richtung FCW, entschied mich dann aber doch nochmals um. In der YB U21-Abteilung lebte ich in einer Komfortzone, die ich verlassen musste, um den nächsten Schritt zu gehen. Von Alex Frei konnte ich zwar viel lernen, aber beim FC Wil herrschte durch die vielen jungen Spieler halt ein ähnliches Klima wie in der U21. Es gab einige Kriterien, die zwischen dem Klub und mir einfach nicht passten.

Für den FCW hast du in 13 Challenge League-Einsätzen 3 Tore erzielt. Du bleibst nun nochmals ein ganzes Jahr in Winterthur. Was macht es aus, dass du dich hier so wohl fühlst?

Der Verein ist mir mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen. Für meine Karriereplanung ist eine erneute Ausleihe zum FCW der richtige Schritt. Ich bin ein sehr ambitionierter Mensch und will Stammspieler sein, bei YB wäre das noch nicht möglich gewesen. Mein Ziel ist es, die nächste Saison unter den besten Spielern abzuschliessen. Bei Winti bekomme ich ideale Voraussetzungen dafür. Ich kenne jetzt die Stadt, den Verein, die Führung. Mit Davide Callà kommt zusätzlich eine hervorragende Ergänzung in den Führungsstab. Der FCW akzeptiert mich einfach so wie ich bin und schenkt mir viel Vertrauen.

„Der Verein ist mir mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen.“

Beim FCW gab es in der letzten Saison eine kleine Berner Delegation mit Keeper Dario Marzino, Aussenverteidiger Pascal Schüpbach und dir. Mit welchen Winti-Spielern hast du auch neben dem Platz am meisten zu tun?

In der Freizeit verbringe ich viel Zeit mit der jüngeren Truppe. Sayfallah Ltaief, Sandro Di Nucci, Silvan Kriz, Adrian Gantenbein, Kevin Costinha, Yannick Pauli, Dimitri Volkart und Adrian Rama-Bitterfeld, der jetzt nach Deutschland gewechselt ist, gehören dazu. Und mit Pascal Schüpbach habe ich schon immer viel Zeit zusammen verbracht, da wir uns schon aus YB-Zeiten kennen. Aber ich verstehe mich grundsätzlich mit allen im Team wirklich sehr gut.

Reden wir ein wenig über deinen Spielertyp. Es ist schwer sich darauf festzulegen, ob du eher Mittelstürmer oder Flügelspieler bist. Wie schätzt du dich selber ein?

Das ist eine Frage, die mich seit Jahren begleitet. Die Unklarheit hat auch damit zu tun, dass meine Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. In der nächsten Saison wird sich sicher eine klare Tendenz herausstellen. Auf dem Flügel fühle ich mich sehr wohl, dort kann ich eine meiner Stärken, das Eins gegen Eins, am besten ausspielen. Als alleiniger Stürmer kann ich meine Qualitäten weniger zum Vorschein bringen. In einem 4-4-2 hingegen bin ich als zweiter Angreifer gut aufgehoben. Es gibt aber wohl keine definitive Antwort, spielen kann ich sicher beides. In der U-Nati bin ich beispielsweise mehr als Nummer 9 eingesetzt worden. Die nächste Saison wird sicher aufschlussreich, wie es positionsmässig mit mir weitergeht, doch das Gute ist, dass ich beides spielen kann.

Zu deinen grossen Stärken zählt das angesprochene Eins gegen Eins, deine Dynamik, dein Tempo. Du kannst mit deinen Bewegungen und deinen Dribblings Lücken in die gegnerische Abwehr reissen und bist für spektakuläre Momente zuständig. Wo gibt es in deinem Spiel noch Verbesserungspotential?

Ein grosser Punkt ist das Kopfballspiel. Eigentlich habe ich eine hervorragende Sprungkraft, gehe aber noch zu selten in Luftduelle. Ich kann mit Links und Rechts spielen, könnte die Beidfüssigkeit aber gerade im Abschluss noch besser zur Geltung bringen. Das Spielverständnis wächst sicher mit der Erfahrung. Ansonsten muss ich in meinem Spiel sicher insgesamt noch konstanter werden.

Du warst bei diesem legendären Spiel im Cup gegen Basel mit dabei (6:2). Ich nehme an, das gehört zu deinen bisherigen Karrierehighlights?

Ja, es gehört sicher dazu. Mein Debüt für YB und die Youth League-Kampagne, die ich mit YB bestritten habe, sind bei den Highlights aber zuoberst.

Hast du ein Vorbild, an dem du dich orientierst?

Mein Idol war immer Robinho. Ich habe ihm unglaublich gern zugesehen. Fussballspielen macht mir Spass, seit ich ihm zum ersten Mal zugeschaut habe. Spielerisch orientiere ich mich auch an Neymar, auch wenn er von der Mentalität her vielleicht nicht das beste Vorbild für junge Spieler ist. Bezüglich Arbeitseinstellung schaue ich natürlich zu Cristiano Ronaldo auf, aber Robinho bleibt meine Nummer 1.

„Robinho bleibt meine Nummer 1.“

Was ist für Winti in der nächsten Saison möglich? Was habt ihr euch vorgenommen?

Ich war die letzten drei Monate verletzt und konnte daher die letzten Spiele 2020/21 nicht mehr mitmachen. Ich bleibe nun auch ein weiteres Jahr in Winterthur, weil ich das Gefühle habe, dass mein Job hier noch nicht zu Ende ist. Ich will unbedingt die oberen Plätze anstreben. Die Qualität dazu haben wir, in der letzten Vorrunde war der FCW Zweiter. Ich habe das Gefühl, dass etwas möglich ist.

© Sam Modestia/Sandro Färber

Die Challenge League ist eine enge, ausgeglichene, komplizierte Liga. Beim FCW bleibt die Mannschaft zusammen, bei anderen Teams, etwa SLO, gibt es einen grossen Aderlass. Startet ihr mit Blick auf die Konkurrenz mit einem Vorteil in die Saison?

Wir schauen nicht auf die anderen Mannschaften. Aber klar, wir hatten bisher im Vergleich mit anderen Teams kaum Wechsel, das kann sicher ein Vorteil sein. Wir sind besser eingespielt und können vielleicht profitieren.

Wie lautet die Vereinbarung mit YB? Gibt es einen klaren Plan für dich?

Der Plan war immer schon klar: Die letzte Saison lief zwar noch nicht so ab, wie wir es uns erhofft hatten, mein Entwicklungsplan hat sich aber nicht verändert. Ich will im nächsten Jahr ein wichtiger Spieler für YB werden und dann später natürlich mal den Sprung ins Ausland und in die A-Nati schaffen. Als Vereinskind geht es manchmal ein wenig schneller: Man hat die Unterstützung der Fans, der Verein will auf einen setzen und man funktioniert als Aushängeschild für den eigenen Nachwuchs. Der unmittelbare Plan ist also, im nächsten Sommer eine gute Rolle bei YB zu bekommen. Vorerst aber will ich in dieser Saison explodieren.

Gab es bereits einmal Kontakt aus dem Ausland?

Ja, den gab es wie wohl bei zahlreichen anderen jungen Schweizern auch. Als wir mit YB in der Youth League gespielt haben, wurden wir natürlich alle beobachtet, da es sich um eine internationale Bühne handelte. Dabei erhielt ich auch Anfragen aus dem Ausland. Ich spielte früh in der U21 und als junger Spieler machte mich dieser grosse Rummel um meine Person ziemlich ungeduldig. Man will so früh wie möglich oben angreifen, doch jeder hat seinen eigenen Weg, dies musste ich mit der Zeit lernen. Wichtig ist es, dass das Umfeld den Spieler gut begleitet damit er seine Leistungen abrufen kann.

Seit der U-18 vertrittst du die Schweizer Nati. Was bedeutet dir das?

Es ist ein riesiger Stolz. Ich darf mein Land repräsentieren und gehöre zu den besten Spielern meiner Heimat. Aufgeboten zu werden, ist ein super Gefühl. Es ist ein grosser Stolz für die ganze Familie und ebenfalls ein gutes Schaufenster für die eigenen Qualitäten.

Wie finden die Einladungen statt?

Man bekommt ein Mail. Es gibt einen ständigen Austausch mit den Vereinen, die Talentmanager kommen immer auf dich zu. Das offizielle Aufgebot erhält man dann per Mail, aber meistens weiss man schon im Vornherein, ob man aufgeboten wurde.

Ist dir einer deiner U-Nati-Coaches besonders in Erinnerung geblieben?

Yves Débonnaire. Es war damals in der U18. Ich kann mich noch an eine Szene im Training erinnern. Ich kam zweimal nacheinander im Eins gegen Eins nicht vorbei und fing an zu hadern. Er brach die Übung ab und sagte mir, ich solle immer und immer wieder ins Dribbling gehen, auch wenn ich nicht vorbeikomme, denn es sei meine grösste Stärke.

„Er sagte mir, ich solle immer und immer wieder ins Dribbling gehen, auch wenn ich nicht vorbeikomme, denn es sei meine grösste Stärke.“

Bist du auch unter der Saison mit den Nati-Kollegen in Kontakt?

Ich bin oft mit den Welschen in Kontakt, doch habe mit den meisten aus der Nati ein gutes Verhältnis. Man spielt ja auch immer wieder gegeneinander. Daneben geht man auch mal zusammen essen oder etwas trinken, manchmal gehen wir auch zusammen in die Ferien, wir Fussballer haben ja früher Urlaub als andere Leute aus unserem Freundeskreis.

Ist es ein Ziel von dir, bei der nächsten #mission21 von Mauro Lustrinelli dabei zu sein?

Ja, natürlich. Das übergeordnete Ziel ist aber die A-Nati, ein Traum jedes jungen Schweizer Fussballers.

Gibt es in deiner U-Nati-Zeit ein Spiel oder Ereignis, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Unsere Qualifikation für die U19-EM, die dann leider wegen Corona abgesagt werden musste. Dann blieb mir noch ein Spiel aus der U18 in Erinnerung, auswärts in Ungarn. Ich hatte eine super Partie und habe dort zum ersten Mal realisiert, dass ich auf dem internationalen Level mithalten und sogar für den Unterschied sorgen kann.

Samuel Ballet: YB-Debüt und Tor: https://www.youtube.com/watch?v=dwhNXPplpMk

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