- Emanuel Staub
Free Agents: Fünf Schweizer ohne Verein
Aktualisiert: 22. Okt. 2021
54 aktive Schweizer (Profi-) Fussballer sind gemäss der Datenbank von transfermarkt aktuell ohne Vertrag. Viele von ihnen haben Spuren in den höchsten zwei Schweizer Spielklassen hinterlassen, andere sind hierzulande gänzlich unbekannt und haben ihr Glück international versucht. Bolzplazz rückt fünf vereinslose Schweizer Profis ins Spotlight und analysiert ihre Situation.
Es ist keine gute Zeit, um als Fussballer arbeitslos zu sein. Aufgrund der Corona-Pandemie ist der Spielermarkt sehr träge, die meisten Vereine agieren nur sehr zögerlich und sind nicht bereit, grosse Summen an Ablöse- oder Vertragsgeldern aufzubringen. Bei Profis, die seit geraumer Zeit vereinslos sind, gibt es zudem oft Vorbehalte gegenüber ihrem Fitnesslevel. Für die grosse Mehrheit der Klubs will in dieser wirtschaftlich angespannten Situation jede Investition gut durchdacht sein, jedes finanzielle Risiko könnte sich nämlich als fatal herausstellen. Für Free Agents, also Spieler, die ohne Klub sind, bedeutet das vorderhand, dass sie sich mitunter auf eine lange Zeit der Vereinslosigkeit einstellen müssen.
Insgesamt 36 A-Länderspiele: Auf diese stolze Zahl kommen die aktuell vereinslosen Schweizer Profis gemeinsam. Das bedeutet also, dass nicht nur zweit- und drittklassige Fussballer Schwierigkeiten haben einen neuen Arbeitgeber zu finden, sondern auch Spieler, die zur nationalen Spitze gezählt werden dürfen. Wer darf sich in den kommenden Wochen Hoffnungen auf einen neuen Vertrag machen? Und wohin könnte die Reise dieser Spieler gehen? Diese Fragen versuchen wir im Folgenden für fünf vereinslose Schweizer zu beantworten...
Loris Benito (29): Zuletzt Girondins Bordeaux
Er ist ohne Zweifel der grösste Name dieser Liste: Loris Benito, zweifacher Meister mit YB und EM-Fahrer mit der Schweiz. 55 Ligue-1-Partien bestritt der Aargauer seit seinem Wechsel 2019 für Bordeaux, zwei Jahre lang zählte er im Südwesten Frankreichs zum Stammpersonal. In diesem Sommer endete das Arbeitsverhältnis trotz der Ankunft von Vladimir Petkovic aber abrupt: Da sich Benito nach einer neuen Herausforderung umsehen und Bordeaux sein Gehalt einsparen wollte, entschied man sich zur einvernehmlichen Trennung. Dass er sich aber auch Ende Oktober noch auf Vereinssuche befinden würde, hätte Benito wohl kaum gedacht. Der Linksverteidiger habe sich selbst ein Bein gestellt, ist aus der Szene zu hören.
Petkovic hatte für Benito keine Verwendung, was diesem wohl auch genau so mitgeteilt wurde. Der 13-fache Nationalspieler musste sich also zwischen Tribünenplatz und Vertragslosigkeit entscheiden – und er wählte zweiteres. Wie geht es nun weiter? Zur Zeit hält sich Benito individuell fit und weilt in der Heimat. Dass es bis jetzt zu keinem neuen Engagement gekommen ist, könnte mit seinen Gehaltsvorstellungen zusammenhängen. Für viele mittelgrosse Vereine auf dem europäischen Festland wäre Benito im Normalfall eine sehr solide Ergänzung. Solange sich aber kein Klub findet, der seinen finanziellen Ansprüchen gerecht werden will, bleibt er vereinslos. Gut möglich, dass er das auch bis zum Wintertransferfenster bleibt.

Timm Klose (33): Zuletzt Norwich City
In einer etwas entspannteren Situation befindet sich Innenverteidiger Timm Klose: Der 1,95m-Hüne war in der letzten Saison an den FC Basel verliehen, konnte die in ihn gesetzten Erwartungen aber nie erfüllen. Premier-League-Aufsteiger Norwich City fand für ihn nach seiner Rückkehr auf die Insel keine Verwendung mehr, weswegen man sich mit der Spielerseite auf eine sofortige Vertragsauflösung einigte. Da der Kontrakt ursprünglich aber noch bis im Sommer 2022 lief, vereinbarte man weiterlaufende Gehaltszahlungen bis zum eigentlichen Ablaufdatum. Bedeutet: Klose kennt aktuell keinen finanziellen Druck und kann sich ungestört nach einer neuen Herausforderung umsehen.
Besser noch: Gemeinsam mit dem FC Basel wurde ausgemacht, dass der 17-fache Nationalspieler bis auf Weiteres mit der U21 mittrainieren darf und so – anders als Benito – im Rhythmus bleibt. Jüngst äusserte sich Klose zu seinen Zukunftsplänen im SRF-Podcast "Sykora Gisler": Weiterspielen wolle er, wenn es die Fitness denn erlaubt, bis zu seinem 36. Lebensjahr, am liebsten anheuern würde er in den USA oder in Japan. An Tatendrang mangelt es Klose nach einer schwierigen Zeit also nicht. Wir drücken die Daumen, dass sein Neuanfang gelingt.
Davide Mariani (30): Zuletzt Al-Ittihad Kalba
Der kreative Offensivkünstler hegte bis vor wenigen Jahren noch Nati-Ambitionen. "Es gibt keinen Spieler in der Schweiz, der so gut auf meiner Position ist wie ich!" , liess er sich 2019 zitieren. Die Scorerwerte des Edeltechnikers stimmten und über einen echten Zehner verfügt die Nati tatsächlich auch heute (noch) nicht. Aktuell ist der Nati-Zug aber definitiv unerreichbar. Seit diesem Sommer ist Mariani ohne Verein, nachdem die Zusammenarbeit mit Al-Ittihad Kalba aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht mehr fortgesetzt wurde. Mariani hat einen ungewöhnlichen Karrierweg gewählt: Nach starken Jahren in Lugano wechselte er zu Levski Sofia nach Bulgarien, ehe ihn die Emirate lockten.
Wie geht es nun für ihn weiter? Zur Zeit trainiert er mit der U21-Abteilung von Shabab Al-Ahli Dubai und befindet sich dementsprechend in körperlich toller Verfassung. Marianis Berater dürften sich wohl nach einem weiteren Engagement im arabischen Raum umsehen. Eine Rückkehr in die Schweiz kann ausgeschlossen werden: Unvorstellbar, dass sich ein Super-League-Verein Marianis Gehalt leisten kann...

Marco Schönbächler (31): Zuletzt FC Zürich
In diesem Sommer wurde die FCZ-Identifikationsfigur vor die Tür gestellt. 351 Partien absolvierte "Schönbi" für den Stadtclub, wobei ihm starke 113 Scorerpunkte gelangen. Der Linksaussen feierte 2007 sein Debüt in der 1. Mannschaft und lief in seiner gesamten Karriere nie für einen anderen Verein auf, spielte sich sogar ins Nationalteam, für das er unter Petkovic zwei Einsätze absolvierte. Bei den FCZ-Fans genoss Schönbächler dank seiner Treue und Vereinsliebe einen Sonderstatus – umso enttäuschter die Reaktionen, als sein Vertrag in diesem Sommer nicht mehr verlängert wurde.
Schönbächler fiel dem gross angelegten personellen Umbruch zum Opfer, als "Altlast" musste der 31-Jährige gemeinsam mit Adrian Winter (35) weichen und neuen Spielern Platz machen. Seither ist es ruhig um ihn geworden, Gerüchte kamen auch nach bald vier Monaten Vereinslosigkeit keine auf. Ob Ur-FCZler Schönbächler überhaupt für einen anderen Schweizer Verein auflaufen will? Und will er seinem von komplizierten Verletzungen geschundenen Körper überhaupt noch einmal dem Profifussball aussetzen? Ein verfrühtes Karriereende scheint Stand jetzt sehr gut möglich. Oder entdeckt Schönbächler vielleicht doch noch seine Abenteuerlust? Die MLS oder Asien kämen eventuell in Frage...
Joel Untersee (27): Zuletzt HJK Helsinki
Der in Südafrika geborene Rechtsverteidiger heuerte erst in diesem Winter beim finnischen Rekordmeister an, kehrte dem Verein im Sommer aber bereits wieder den Rücken. Untersee wechselte früh in den Nachwuchs von Juventus Turin, via Vaduz, Brescia und Empoli landete er im Frühjahr 2019 bei seinem Jugendverein FC Zürich. Nach einem halben Jahr und einem Auftritt im Europa League Sechzehntelfinale gegen Napoli, zog er zum FC Lugano weiter. Das Engagement endete aber bereits wieder nach wenigen Wochen. Bereits zum dritten Mal in seiner Karriere befindet sich Untersee nun in einer Periode der Vereinslosigkeit. In der öffentlichen Wahrnehmung bewegt sich der ehemalige Schweizer U21-Nationalspieler unter dem Radar – ob seine Karriere wohl anders verlaufen wäre, wenn er nicht früh nach Italien gegangen wäre?
Wohin geht Untersees Reise nun? In der Super League dürfte es kaum einen Markt für ihn geben, doch in der Challenge League gäbe es definitiv Klubs, die seine Klasse auf den defensiven Aussenpositionen sehr gut gebrauchen könnten. Daneben ist auch ein Wechsel in die unteren Gefilde des italienischen Fussballs sehr gut denkbar, wobei die Serie B Stand jetzt sicher das Höchste der Gefühle wäre. In Südafrika würde man sich freuen, wenn Untersee so schnell wie möglich wieder einen Verein finden würde, schliesslich gehört er zum erweiterten Kader des Nationalteams ("Bafana Bafana"): 2019 stand er im vorläufigen 30-Mann-Team für den Afrika Cup, erhielt aufgrund unvollständiger Papiere allerdings keine Spielberechtigung.

Weitere Schweizer ohne Verein:
Adrian Winter (35, zuletzt FCZ)
Gaetano Berardi (33, zuletzt Leeds)
Andreas Wittwer (31, zuletzt Winterthur)
Alain Wiss (31, zuletzt Altach)
Danijel Subotic (32, zuletzt GC)
Freddy Mveng (29, zuletzt Xamax)
Daniel Follonier (27, zuletzt Kriens)
Matthias Minder (28, zuletzt GC)
Adonis Ajeti (24, zuletzt FCSG)
Bruno Morgado (23, zuletzt Xamax)
Zoran Josipovic (26, zuletzt Celta Vigo)
Valdrin Dalipi (20, zuletzt Cádiz)
Arthur Njo-Léa (25, zuletzt Rodange 91)
Valentino Pugliese (24, zuletzt Dordrecht)