- Emanuel Staub
Neue Gesichter in der Nati? Fünf Spieler-Vorschläge für Murat Yakin
In wenigen Tagen wird der neue Nationaltrainer sein erstes Aufgebot bekanntgeben. Wir schlagen fünf Spieler vor, denen Yakin eine Chance in der Nati gewähren könnte.
Eine Feuertaufe für Yakin
Nach dem historischen EM-Sommer und dem abrupten Abschied von Erfolgstrainer Petkovic ist die Nati bereits wieder gefordert. Am 1. September trifft die Schweiz in einem Freundschaftsspiel auf Griechenland, danach warten wichtige Partien in der WM-Qualifikation gegen Italien (5.9) und Nordirland (8.9). Für Murat Yakin, seit etwas mehr als zwei Wochen im Amt, steht eine Feuertaufe bevor. Geht die Partie gegen Italien verloren, dürfte die Mission, sich als Gruppenerster für Qatar zu qualifizieren, enorm schwer werden.
Es entspricht dem Selbstverständnis der Schweiz, dass man 2022 dabei sein wird. Anders als bei der EM-Qualifikation, darf sich aber nur der Gruppensieger der Teilnahme sicher sein. Die 10 Zweitplatzierten spielen ein Mini-Turnier mit Halbfinale und Finale aus, in denen drei weitere Tickets gelöst werden können. Die klassische Barrage gibt es damit nicht mehr.
Für Murat Yakin steht also bereits bei seinem ersten Zusammenzug eine grosse Aufgabe bevor. Medial hat er verlauten lassen, weder personell, noch fussballerisch in so kurzer Zeit etwas verändern zu wollen. Alles andere würde nach der erfolgreichen EURO auch keinen Sinn ergeben. Dennoch dürfte mit dem ein oder anderen neuen Gesicht oder Rückkehrer im Nati-Kreis zu rechnen sein. Denn: Erste Absenzen für die anstehenden Spiele sind bereits bekannt.
Absenzen und Rückkehrer
Es fehlen:
Admir Mehmedi (30): Nati-Rücktritt
Haris Seferovic (29): Muskelverletzung
Breel Embolo (24): Oberschenkelverletzung
Gut vorstellbar ist zudem, dass Yakin Dauerreservist Edimilson Fernandes (25) vorerst nicht mehr berücksichtigt, oft figuriert der Mittelfeldspieler nicht einmal im Kader seines Vereins Mainz 05. Er könnte vielleicht durch Michel Aebischer (24) ersetzt werden, der seit seinem Nati-Debüt 2019 zum erweiterten Spielerkreis gehört. Eine weitere Option: Pajtim Kasami (29), im Herbst 2020 wurde er zum ersten Mal seit 2016 aufgeboten, kam aber nicht zum Einsatz.
Erste Vermutungen gab es bereits, dass Yakin einen Altbekannten zurück ins Boot holen könnte: FCB-Captain Valentin Stocker (32). Der Flügel befindet sich seit geraumer Zeit in bestechender Form und könnte reaktiviert werden. Seinen letzten Einsatz als Nationalspieler hatte Stocker im Herbst 2016. Fünf Jahre später könnte er sein Comeback geben.
Stocker ist aber nicht der einzige mögliche Rückkehrer: Fest zu rechnen sein dürfte mit Renato Steffen (29), der die EM verletzungsbedingt verpasste, bei Wolfsburg aber zu den Leistungsträgern gehört. Auch mindestens einer aus dem Trio Josip Drmic (29), Cedric Itten (24) und Albian Ajeti (24) wird – angesichts der Absenzen im Sturm – vermutlich wieder berufen. Auch als Rückkehrer gelten würden die drei Schweizer Youngster Andi Zeqiri (22), Dan Ndoye (20) und Noah Okafor (21), sollte sie Yakin nominieren. Während die beiden Erstgenannten im EURO-Trainingslager mit dabei waren, erhielt Okafor für das Nations League Final Four-Turnier im Sommer 2019 ein Aufgebot.
All das lässt trotzdem Raum für einige gänzlich neue Namen. Diese dienen einerseits als Soforthilfe, andererseits sind sie auch als perspektivische Lösungen zu verstehen. Und wer weiss, vielleicht lässt sich Yakin ja von uns inspirieren und gibt dem ein oder anderen eine Chance. Hier sind unsere fünf Spielervorschläge für Murat Yakin:
Michael Frey (27): Royal Antwerpen
Sturmkante Michi Frey ist in der Schweiz wohlbekannt – und lässt kein Fan-Gemüt kalt. Während der YB-Anhang für den einstigen Hoffnungsträger nach seinem provokativen Jubel im Cupfinal 2018 nicht mehr viel übrig hat, wird er beim FCZ trotz seines geräuschvollen Abgangs nach wie vor geschätzt. Frey ist eine streitbare Personalie, er ist leidenschaftlich, provokativ, eklig auf dem Platz – aber vor allem ist er ein ausgezeichneter Stürmer. Er ist extrem wuchtig, bissig und stark in der Box.
Nachdem Frey in der letzten Saison in Belgien 18 Saisontore für Absteiger Waasland-Beveren erzielt hatte, schloss er sich in diesem Sommer Spitzenklub Royal Antwerpen an. Dort ist er unfassbar gut gestartet: 4 Partien, 6 Tore. Darunter ein Fünferpack (!) gegen Standard Lüttich. Unglücklicherweise zog er sich jüngst eine Knieverletzung zu, die ihn zwei bis drei Monate ausser Gefecht setzen wird. Somit kommt Frey für den ersten Zusammenzug unter Yakin noch nicht in Frage, muss aber in den kommenden Monaten eine Option sein – vor allem, wenn er da weitermacht, wo er aufgehört hat.
Filip Ugrinic (22): FC Luzern
Filip Ugrinic hat sich in den letzten Monaten überragend entwickelt. Während der FC Luzern einen glatten Fehlstart in die neue Saison hingelegt hat, begeisert er aktuell als Einzelspieler und Alleinunterhalter in der Innerschweiz. Ugrinic ist im Mittelfeld überall einsetzbar und strömt als kaum einzudämmender Unruheherd ständige Torgefahr aus. Spätestens im nächsten Sommer dürfte das FCL-Eigengewächs im Ausland engagiert sein, für die Nati könnte er aber bereits jetzt in Frage kommen.
Ugrinic ist kräftig gebaut und bündelt seine Masse in einer wuchtigen Durschlagskraft. Diese Wucht, gepaart mit feiner Technik, tollem Schuss und viel Explosivität, ergibt einen sehr attraktiven Spielertypus. In drei Liga-Partien kommt Ugrinic bereits auf zwei Tore und eine Vorlage und wird gefühlt mit jedem neuen Spieltag besser und besser. Auch defensiv gefällt der ehemalige U21-Nationalspieler, im Spiel gegen den Ball kommt ihm seine Robustheit ebenfalls zugute. Ugrinic zählt aktuell zu den interessantesten Spielern der Schweiz und wäre auch für die Nati mit seiner Energie und seiner Power ein echter Gewinn. Entwickelt er sich so weiter, muss sein Weg früher oder später in die Nationalmannschaft führen – spätestens dann, wenn er auch im Ausland für Schlagzeilen sorgen kann.

Ulisses Garcia (25): BSC Young Boys
"Üli", wie er liebevoll von den YB-Fans genannt wird, gehört unter Neu-Trainer David Wagner zu den grössten Gewinnern. Yakin hat bereits angekündigt, wieder vermehrt in die heimische Liga blicken zu wollen, und Garcia dürfte ihm in seinen ersten Wochen als Auswahtrainer dabei ins Auge gestochen sein. Der schnelle Linksverteidiger spielt seit 2018 bei YB, ist aber erst jetzt ein unumstrittener Leistungsträger. Nach vorne gefiel Garcia schon immer, defensiv war er aber über lange Zeit nicht über alle Zweifel erhaben. Der Genfer ist ein stürmender Aussenverteidiger moderner Prägung, stets im Stande, die Angriffsbemühungen entscheidend zu unterstützen.
In diesem Sommer gehört die YB-Bühne ihm: In der Champions League-Qualifikation sorgte Garcia mit zwei herrlichen Treffern aus der Distanz für gelbschwarzen Freudentaumel, ist darüber hinaus unter Wagner absolut gesetzt. Tolle Flügelläufe, freche Dribblings und gute Flanken: Im Schweizer 3-4-3-System könnte Garcia als linker Aussenläufer ein echter Gewinn sein und dem offensiv weit weniger aktiven Loris Benito den Platz hinter Steven Zuber und Jordan Lotomba streitig machen. In seiner aktuellen Verfassung muss er sich vor keinem Vergleich mit den beiden Konkurrenten verstecken. Nach seinen überragenden EURO-Leistungen dürfte Zuber weiterhin gesetzt sein, aber wieso dahinter nicht Garcia als energiegeladenem Supersub eine Chance geben?
Leonidas Stergiou (19): FC St. Gallen
Schon lange gilt Stergiou als künftiger Nati-Star. Im Alter von 19 Jahren hat der Innenverteidiger bereits 87 Partien für den FCSG bestritten und sich dabei Schritt für Schritt zum Abwehrchef hochgearbeitet. Stergiou verfügt über ein exzellentes Stellungsspiel, eine hohe Spielintelligenz und eine starke Spielauslösung. Überdies zeichnet ihn eine beachtliche Coolness aus, nie lässt er sich aus der Ruhe bringen und Fehler begeht er eigentlich sowieso kaum. Stergiou mag zwar über keine besonders grosse körperliche Masse verfügen, ist dafür aber für einen Innenverteidiger durchaus schnell.
Ohne Frage: Der junge St. Galler ist bereits in jungen Jahren ein Fall für die Nationalmannschaft. Der Captain der Schweizer U21-Auswahl dürfte sich über kurz oder lang auf Yakins Liste wiederfinden. Fällt eine der arrivierten Abwehrkräfte aus, könnte seine Stunde gekommen sein. Stand jetzt ist die Konkurrenz gross: Akanji, Elvedi, Rodriguez, Schär, Cömert und Omeragic standen zumindest unter Petkovic allesamt vor Stergiou. Auch ein weiteres Jahr in der U21 würde ihm sicher nicht schaden, aber es nicht auszuschliessen, dass ihm bereits in den nächsten Wochen und Monaten eine Chance bei den "Grossen" gewährt wird.
Cédric Brunner (27): Arminia Bielefeld
Cédric Brunner ist womöglich der unterbewerteste Schweizer Spieler in den Top 5-Ligen. Mit Brunner als Pfeiler der Hintermannschaft, stieg die Arminia 2019/20 nach 11 Jahren wieder in die Bundesliga auf. Der Ligaerhalt gelang durchaus souverän, am Ende stand man auf einem beachtlichen 15. Schlussrang. Einer, der sehr viel dazu beigetragen hat, ist Cédric Brunner. Der Rechtsverteidiger ist seit Jahren Schlüsselspieler und Stabilitätsgarant in der Defensive. Dabei verkörpert Brunner den Gegenentwurf zum "modernen", offensiv ausgerichteten und sprintstarken Aussenverteidiger. Er ist weder besonders schnell, noch sucht er das Heil im Angriff. Vielmehr steht er defensiv sicher, ist bissig und konsequent im Zweikampf.
Als klassischer Rechtsverteidiger bringt Brunner eine grosse defensive Zuverlässigkeit mit, Unachtsamkeiten und Stockfehler leistet er sich keine. Er mag kein sonderlich spektakulärer Spieler sein, erledigt alles aber mit einer bemerkenswerten Ruhe und Solidität. Brunners Pech: Die Schweiz verfügt zur Zeit über eine Vielzahl an starken Rechtsverteidigern: Mbabu, Widmer, Lotomba, Hefti, Rüegg oder Janko. Der Arminia-Legionär bringt aber etwas mit, was sämtliche seiner Kollegen (noch) nicht haben: Eine durch jahrelange Erfahrung im deutschen Fussball geschmiedete defensive Routine. Als rechter Aussenläufer käme Brunner in der Nati aber dennoch kaum in Frage, aber vielleicht in einer Viererkette oder als rechter Innenverteidiger in einer Dreierreihe?

Weitere mögliche soon-to-be-Nati-Spieler:
Silvan Hefti (23, YB)
Cameron Puertas (23, LS)
Bastien Toma (22, KRC Genk)
Cédric Zesiger (23, YB)
Philipp Köhn (23, RB Salzburg)
Sandro Lauper (24, YB)