Ein Jahr nach dem Transfer: Noah Okafor – Bilanz und Perspektiven

Ein Jahr ist der Transferhammer schon her: RB Salzburg verpflichtete das Schweizer Toptalent Noah Okafor im Winter 2020 für eine klubeigene Rekordsumme von über 11 Millionen Euro vom FC Basel. Richtig zu fliegen begonnen hat der Angreifer beim Red Bull-Verein aber noch nicht. Bolzplazz zieht Bilanz und wagt einen Ausblick.

© Werner100359 via wikicommons

So richtig betrat Noah Okafor die Bühne des Schweizer Fussballs in der Spielzeit 2018/19, auch wenn er das Profi-Debüt noch am letzten Spieltag der vorangegangenen Saison feierte. Seine Spielercharakteristika – allen voran die herausragende Geschwindigkeit, die mitreissenden Dribblings und die extrem feine Technik – liessen schnell erkennen, dass da in Basel ein spezieller Fussballer heranwuchs. Okafors starker Frühling 2019 mit wunderschönen Schlenzer-Toren und vielen spielerischen Highlights wurde schliesslich von Vladimir Petkovic mit einem Aufgebot in die Nationalmannschaft honoriert. Als Teil des Teams, das am Nations League Final Four-Turnier in Portugal teilnahm, sammelte Okafor erste Eindrücke als blutjunger Nationalspieler. Obwohl bislang keine weitere Nati-Nomination mehr ihren Weg in seinen Briefkasten fand, gilt der mittlerweile 20 Jährige nach wie vor als eines der grössten Versprechen im Schweizer Fussball.

Als eleganter und teils spektakulärer Flügelstürmer bringt Okafor alle Anlagen mit, um zu den Besten seiner Zunft zu werden. Dieser Ansicht war auch Red Bull Salzburg, als man den Angreifer zu sich holte. Die Österreicher geniessen europaweit einen hervorragenden Ruf in der Ausbildung und Weiterentwicklung von jungen Spielern, und so hoffte man in der Mozartstadt, sich mit Okafor „the next big thing“ geangelt zu haben.

Beim FC Basel verabschiedete man sich schweren Herzens von seinem Juwel. Okafors Wert für den FCB lag aber weniger in der Anzahl Scorerpunkte, sondern eher im rohen Potential, das in ihm schlummerte. In wettbewerbsübergreifenden 54 Partien verzeichnete Okafor 7 Tore und 5 Assists. Keine überragenden Zahlen, aber für einen jungen Flügel aller Achtung wert. Dem FCB gelang es aber nie, Okafors Talent vollends aus ihm rauszukitzeln und hinzu kamen Spannungen mit ex-Coach Marcel Koller, so schien ein Wechsel in den RB-Kosmos ein kluger Schritt zu sein.

Bislang ist Salzburgs Rekordtransfer aber noch einiges schuldig geblieben. Zwar sind Okafors Werte – 8 Tore und 3 Assists in insgesamt 32 Spielen – wirklich nicht schlecht, aber irgendwo auch ernüchternd. Denn bisher ist es auch den Red Bull-Trainern nicht gelungen, seine überragenden Anlagen dauerhaft in nackte Zahlen zu verwandeln. Im Jahr 2020 erzielte Salzburg 83 Liga-Tore, an gerademal 9 davon war Okafor als Schütze oder Passgeber beteiligt. In einer Mannschaft, die den Offensivfussball und das Toreschiessen geradezu zelebriert, sollte es für einen Spieler von Okafors Qualitäten doch möglich sein, mehr Scorerpunkte zu sammeln?

Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund liess sich jüngst in der Krone-Zeitung wie folgt zitieren: „Da brauchen wir nicht herumreden: Er hat nicht so eingeschlagen, wie wir alle uns das vorgestellt haben. Ich kann mich aber erinnern, dass es auch schon bei anderen länger gedauert hat, Leute wie Munas Dabbur, den wir sogar verliehen haben, oder Jonny Soriano.“

Fairerweise muss gesagt werden, dass der Schweizer Hoffnungsträger seit seiner Ankunft oft nur eingewechselt wurde, nämlich alles in allem 18 mal. Nur 14 Spiele bestritt er in der Startelf und in nur 6 Partien durfte er über die volle Distanz ran. Der Grund liegt wohl weniger in seinen Leistungen, als im ungeheuren Konkurrenzkampf, dem sich Okafor bei Salzburg gegenübersieht. Spieler wie Patson Daka, Enock Mwepu, Karim Adeyemi, Mergim Berisha, Sekou Koita oder der kürzlich zu RB Leipzig abgewanderte Dominik Szoboszlai sind alles mehr oder weniger direkte Konkurrenten um einen Platz in der Salzburger Offensive. Eine Position fix zu erobern und dauerhaft zu behalten, ist also ungemein schwer. Ganz behaupten konnte sich Okafor im vor Talent nur so strotzenden RB-Kader noch nicht, auch wenn er auf seine Minuten gekommen ist.

In dieser Saison gehört Okafor mit im Schnitt 0.54 Treffern pro 90 Minuten zu den torgefährlichsten Spielern der Österreichischen Bundesliga (9 Ligaeinsätze, 4 Tore 2020/21). Besonders in Erinnerung bleibt ein Hattrick, den er im letzten Herbst gegen WSG Tirol schnürte. Für die Anzahl an Spielminuten, die ihm in dieser Spielzeit in der Liga zugestanden wurde, macht er seine Sache also ganz ordentlich. Okafors Ziel muss jetzt sein, sich in der Stammelf festzubeissen. Die Beispiele von anderen RB-Erfolgsspielern lehren ihn Geduld: Erling Haaland setzte sich in Salzburg erst in seiner zweiten Saison durch, Patson Daka sogar erst in der Dritten. Kann der ex-Basler dem Exempel dieser beiden Angreifer folgen, wird Red Bull das investierte Geld gut angelegt haben. Experten der UEFA sind da gleicher Meinung. Sie wählten Noah Okafor kürzlich in die „50 for the future“-Liste, in welcher jährlich Europas grösste Talente geehrt werden.

Zuletzt wurde er von einer Corona-Infektion ausser Gefecht gesetzt, sollte aber schon bald wieder eine Option für die Equipe des Amerikaners Jesse Marsch sein. Die mediale Kritik am Rekordzugang wird indes immer lauter. Okafor darf sich nun nicht von seinem Weg abbringen lassen und muss fleissig an sich arbeiten. Im Frühling folgt die U21-Europameisterschaft, wo er – sofern fit – mit von der Partie sein dürfte (6 Spiele, 2 Tore für die U21). Die Nachwuchs-EURO könnte für ihn zu einer tollen Bühne werden, wo er sich hoffentlich nachhaltig für einen Platz im RB-Angriff wird bewerben können.

Wagen wir einen Ausblick: Kommt Okafor in der anstehenden Rückrunde in Fahrt und spielt eine tolle U21-EURO, wird er vielleicht schon zu einem Thema für Petkovics EM-Kader. Spieler seines Typus sind im Weltfussball gefragter denn je und bringen grosses Vermarktungspotential mit. Okafor wird sich also mit guten Leistungen rasch in die Notizblöcke grosser Klubs spielen. In der Schweizer Nati wird er eines Tages die Flügelzange mit Dan Ndoye (20) oder Ruben Vargas (22) bilden – eine verlockende Vorstellung. Nun gilt es aber Schritt für Schritt zu nehmen und sich endlich richtig bei RB Salzburg zu etablieren. Das Zeug dazu hat er.

UEFAs „50 for the future“-Liste: https://www.uefa.com/uefachampionsleague/news/0265-113c77c33b88-3dda4706173e-1000–ones-to-watch-for-2021/

Freund-Zitat: https://www.krone.at/2328976

Okafor brilliert mit der Schweizer U21: https://www.srf.ch/sport/fussball/nationalmannschaft/4-1-gegen-die-slowakei-offensiv-talente-fuehren-nati-zum-sieg-in-der-em-quali

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