Die jungen Wilden in der Offensive des FC St.Gallen

Die St.Galler Offensive zeichnet sich vor allem durch zwei Merkmale aus: Horrendes Tempo – und jugendliche Frische. In diesem Artikel beleuchten wir die jungen Angreifer aus dem Nachwuchs des FCSG genauer und blicken auf die Sturmhoffnungen aus der zweiten Reihe.

Das wohl grösste Sturmjuwel aus dem FCSG-Nachwuchs ist aktuell Alessio Besio. Der 19-Jährige wurde in unserer Serie «Swiss Talent Watch» bereits einmal im Detail unter die Lupe genommen. Viele hätten dem gebürtigen St. Galler in dieser Spielzeit eine wichtige Rolle im Espen-Kollektiv zugetraut. Anfang 2023 lässt sich jedoch konstatieren, dass Besios Saison bislang nicht nach Wunsch verlief. Die St.Galler Verantwortlichen halten zwar viel vom wuchtigen Mittelstürmer, jedoch haben ihn diverse Verletzungen ausgebremst. Vor allem Probleme im Kniebereich verdammten den Schweizer U20-Nationalspieler immer wieder zum Zuschauen. Dazu kommt eine unklare Vertragssituation. Besios Arbeitspapier läuft im kommenden Sommer aus, eine Verlängerung ist noch nicht vereinbart. Hinter vorgehaltener Hand wird vermutet, dass der FCSG ihn auch deswegen zurzeit nicht in der 1. Mannschaft zum Zug kommen lässt.

So zeigt Besio sein Können aktuell eben bei der U21 in der Promotion League. Dort erzielte er in 6 Einsätzen starke 6 Tore – und unterstreicht damit sein grosses Potential. Seine tollen Leistungen in der U21 sollten im Normalfall zu einer Rückkehr in die 1. Mannschaft reichen – vorausgesetzt die Parteien erzielen eine Einigung im Vertrags-Clinch. Auch viele FCSG-Fans wünschen sich Besio so schnell wie möglich zurück ins Super-League-Kader, seine Intensität und Durchsetzungsstärke täte der Espen-Offensive sicherlich gut. Bei allem Tempo und Spritzigkeit sind das Attribure, die den anderen St.Galler Stossstürmern nämlich fehlen.

Nachfolgend blicken wir auf die weiteren FCSG-Sturmhoffnungen im Umkreis der 1. Mannschaft:

Fabrizio Cavegn (20) – die Zukunft des Bündner Fussballs

Beinahe jede Schweizer Region stellte in der Vergangenheit prominente Fussballer. Das wintersport- und eishockeydominierte Bündnerland ist da aber die Ausnahme. Der grösste Kanton der Schweiz ist klub- und spielertechnisch im Profifussball massiv untervertreten und höchstens eine Randnotiz. Eine Person, die den Bündner Fussball aber ins Spotlight rücken könnte, ist FCSG-Stürmer Fabrizio Cavegn. Der Offensivmann spielte in der Jugend unter anderem beim Team Südostschweiz, ehe er bei Chur 97 im zarten Alter von 17 Jahren zu seinem Debüt in der 2. Liga interregional kam und fortan regelmässig auf dem Rasen stand. Das blieb dem FC St.Gallen nicht verborgen. Die Espen lotsten den in Ilanz/Glion geborenen Angreifer im Sommer 2021 in die Gallusstadt.

Wurde er in seiner Heimat noch auf diversen Offensivpositionen eingesetzt, setzte er sich bei der U21 des FCSG direkt als Mittelstürmer fest. Starke 20 Treffer in 26 Auftritten gelangen Cavegn in der 1. Liga. Schnell war klar, dass er für höhere Aufgaben bestimmt ist. In der Sommervorbereitung durfte er bereits bei den «Grossen» vorspielen und sich zeigen. Dank des Wildcard-Aufstiegs in die Promotion League messen sich Cavegn und seine Teamkollegen in dieser Saison nun in der dritthöchsten Schweizer Spielklasse. Ein optimaler Schritt für den Neuner, der auch ein Level höher seine positiven Entwicklung nahtlos fortsetzt. Mit 12 Toren in gerade einmal 16 Einsätzen ist er drittbester Torschütze der Promotion League und der vielleicht wichtigste Akteur in der U21 des FCSG. Verdientermassen wurde Cavegn Mitte September zum ersten Mal von Peter Zeidler in den Profikader berufen. Bei den Profis wärmt er nicht nur einen Bankplatz, sondern er wurde seither auch viermal in der Meisterschaft eingewechselt. Das erste Tor in der Super League ist nur eine Frage der Zeit. Im Cup ist ihm dieser Meilenstein schon gelungen, als er im Achtelfinale gegen Arbedo-Castione zum 5:0 Endstand einnetzte. Cavegn ist mit 1,78 m-Körpergrösse wahrlich kein Riese, doch dank seiner kompakten und relativ muskulösen Statur kann er sich in Duellen mit Gegenspielern gut behaupten. Sein tiefer Körperschwerpunkt hilft ihm zudem in puncto Wendigkeit und Agilität. Der Bündner ist darüber hinaus flink und verfügt trotz seiner erst 20 Jahren schon über einen beeindruckenden Killerinstinkt vor dem Kasten. Beste Voraussetzungen also, dass der Angreifer schon bald eine grössere Rolle in der 1. Mannschaft einnehmen wird.

Noha Ndombasi (21) – ein neuer Anlauf in der Schweiz

Momentan noch weniger treffsicher als Cavegn aber nicht minder interessant ist Noha Ndombasi. Der Franzose war vereinslos, ehe er Ende September von Sportchef Alain Sutter als Perspektivspieler zum FC St.Gallen stiess. Seither verbuchte er in der 1. Mannschaft sechs Kurzeinsätze und sammelte daneben in der U21 dringend benötigte Matchpraxis. Ein Blick auf sein Werdegang offenbart, dass der 21-Jährige über reichlich Potenzial verfügt, dieses aber noch nicht vollständig abrufen konnte.

Trotz des schier endlosen Talentepools in seinem Heimatland war Ndombasi bis und mit der U18-Stufe Nationalspieler. Vor dreieinhalb Jahren wechselte er von Girondins Bordeaux in die hochangesehene Nachwuchsakademie des FC Valencia. In Spanien liess er sein Können zwar immer wieder aufblitzen, konnte dieses aber nur selten in Tore ummünzen. Unter dem Strich resultierten einige Einsätze in der 2. Mannschaft und sechs Auftritte in der UEFA Youth League. Kein schlechter Leistungsausweis – doch die fehlenden Treffer waren am Ende der Grund, warum Valencia seinen Vertrag nicht mehr verlängerte. In St.Gallen erhielt Ndombasi einen Kontrakt bis 2024. Hier soll er seinen Torriecher wiederentdecken.

Der junge Angreifer ist sehr spritzig und für Verteidiger schwer zu greifen. Mit schnellen Richtungswechseln und Finten sorgt er immer wieder für Überraschungsmomente. In seinen ersten kurzen Auftritten in der 1. Mannschaft der Espen zeigte er schon einige vielversprechende Szenen. Um sich aber nachhaltig im Spitzenfussball festzusetzen, sollte er noch an Robustheit gewinnen. Insgesamt bringt Ndombasi jedoch ein spannendes Profil mit, das dank Tempo, Dynamik und Spielwitz ideal in den Zeidler’schen Fussball passt. Jetzt fehlen nur noch die Treffer.

Gonçalo Filipe Figueiredo Simões (19): Genfer Dynamo

Gonçalo Figueiredo ist ein weiteres offensives Zukunftsversprechen aus der Talentfabrik des FC St.Gallen. Der Mann mit dem klingenden Namen wurde kürzlich 19 Jahre alt und ist seit Sommer 2021 für die grün-weissen Farben aktiv. Für die U18 und für die U21schoss er in der vergangenen Spielzeit in nur knapp 1000 Spielminuten insgesamt 11 Treffer. In dieser Saison misst sich Figueiredo in der Promotion League mit besseren Gegenspielern und hat sich sehr gut an das höhere Niveau angepasst. Bis dato stehen beim U21-Akteur 6 Tore und viele gelungene Auftritte auf dem Konto.

Der Portugiese wurde vor seinem Wechsel in die Gallusstadt nicht wie üblich in einem Leistungszentrum eines Profivereins ausgebildet, sondern machte beim Genfer Klub FC Vernier auf sich aufmerksam. Der FCSG hat sein Talent erkannt und den Angreifer in die Ostschweiz gelotst. Schaut man Figueiredo beim Kicken zu, wird schnell klar, dass grosses Potential in ihm schlummert. Die Spielart, die Grösse und der Körperbau des 19-Jährigen lassen sich mit jener von Pierre-Emerick Aubameyang vergleichen. «Gonço» verfügt über einen schnellen Antritt, der ihm immer wieder einen Vorteil verschafft. Er nutzt seinen Speed auch in der Rückwärtsbewegung sinnvoll und agiert defensiv mit viel Wille und Biss. Allgemein steht er im positiven Sinne immer unter Strom, diese Dynamik ist eines seiner Kernmerkmale. Im taktischen Bereich hat der Stürmer sicherlich noch Luft nach oben.

Je weiter Figueiredo an die erste Mannschaft heranrückt, weitere Erfahrungen macht und entsprechend geschult wird, desto mehr wird er in diesem Aspekt Fortschritte erzielen. Geht seine Entwicklung in der Promotion League auch in der Rückrunde so erfreulich weiter, dürfte der erste Profivertrag nicht mehr weit entfernt sein. Peter Zeidler wird ihn ganz sicher auf dem Zettel haben und auch das St.Galler Umfeld sollte sich den Namen gut merken. Die etwas spezielle Laufbahn von Figueiredo zeigt, dass im Fussball viele Wege zum Erfolg führen können.

Die Winterneuzugänge: Dajaku, Geubbels, Vogt

Im Wintertransferfenster schlug Sportchef Alain Sutter gleich drei Mal auf dem Angreifer-Markt zu. Mit Willem Geubbels (21) und Leon Dajaku (21) fanden zwei einst international hochangesehene Toptalente den Weg in die Ostschweiz. Gerade die Verpflichtung des Franzosen darf man als Coup bezeichnen, wechselte er doch vor nicht allzu langer Zeit für 20 Millionen Euro zur AS Monaco. Während Geubbels einen Vertrag bis 2025 unterschrieb, wurde Dajaku bis zum Saisonende ausgeliehen. Beide vereint nicht nur technische Klasse und ein starker rechter Fuss, sondern auch eine Menge an nicht ausgeschöpftem Potential. Im Idealfall würden nun beide in der Champions League auf dem Rasen stehen, doch diverse Umstände brachten ihre Karrieren ins Stottern. Gut möglich, dass ein Neustart ausserhalb des grossen Scheinwerferlichts nicht die schlechteste Wahl gewesen ist.

Perspektivisch griff man in diesem Winter auch beim FC Wohlen zu: Vom Viertligisten wechselte der erst 18-jährige Mittelstürmer Alessandro Vogt zum FCSG. Der Schweizer gilt trotz seines jugendlichen Alters schon als Mentalitätsspieler und hat seine Torjägerqualitäten unter anderem auch schon im Cup gegen Servette zur Schau gestellt. Neben Aggressivität und Biss bringt der junge Schweizer auch schon physisch sehr viel mit. Sicherlich bis zum Sommer wird Vogt noch in der U21 zum Einsatz kommen, für die er vor kurzem seinen Premierentreffer in der Promotion League erzielen konnte. Entwickelt er sich dort wie erhofft weiter, dürfte das Profidebüt nicht mehr weit weg sein.

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