Das waren die Super-League-Entdeckungen der Saison – Teil 2

Die Spielzeit 2022/23 ist seit einigen Wochen passé, die Vorbereitungen auf die nächste Saison laufen auf Hochtouren. Diese Zwischenphase ist der ideale Zeitpunkt, um auf die grössten Entdeckungen des vergangenen Super-League-Jahres zurückzublicken. Welche unbekannten Spieler haben sich in der letzten Saison einen Namen gemacht?

Teil 1 gibt es hier.

Unsere zweiteilige Serie zu den Entdeckungen der letzten Spielzeit geht mit Spielern von Teams aus der unteren Tabellenhälfte zu Ende. Gemeinsam mit den Datenexperten von Footballytics haben wir je einen Spieler pro Mannschaft ausgewählt, der besonders aufgefallen ist. Die verwendeten Spielerradare entstammen allesamt ihren eigenen Data-Analytics-Tools.

Um als Entdeckung zu gelten, müssen zwei Kriterien erfüllt sein: Erste ganze Saison in der Super League als (unbestrittener) Stammspieler und bzw. oder eine bemerkenswerte Leistungsexplosion im Vergleich zum Vorjahr. Das erklärt, weshalb etwa FCB-Shootingstar Zeki Amdouni nicht aufgeführt wird – er hat bereits seine zweite vollständige Spielzeit als Schlüsselspieler in der Super League absolviert und war vor seinem Wechsel nach Basel bereits bei Lausanne-Sport Leistungsträger.

FC St.Gallen: Christian Witzig (22) – das spielstarke Energiebündel

Mit Christian Witzig reiht sich ein weiterer Name aus dem St.Galler Nachwuchs in die lange Liste von jungen Spielern, die sich in der Ära Peter Zeidler zum Stammspieler hocharbeiten konnten. Der zentrale Mittelfeldspieler bestritt seine allererste Saison in der Super League – und das gleich als Leistungsträger mit 32 Einsätzen. Witzig ist variabel einsetzbar, kann in Zeidlers Rautensystem sowohl hinter den Spitzen als auch eine Reihe weiter zurück als Achter auflaufen. Neben seiner Vielseitigkeit bringt er auch in puncto Einstellung, Mentalität und Aggressivität einen Mehrwert in die Mannschaft. Gerade diese Qualitäten sowie die rohe Energie, die er dem Spiel der Espen verleiht, liessen ihn im Nu zu einem Publikumsliebling werden. Auch fussballerisch hat Witzig etwas zu bieten: Er ist technisch auf gutem Niveau, bringt Übersicht mit und ist sehr spielstark.

Diese Spielmacherqualitäten spiegeln sich auch in den Statistiken wider: In der Kategorie „Vorletzter Pass“ gehört er zur absoluten Spitze der Super League (94 Perzentile, bdt. in diesem Bereich besser als 94% aller anderen Spieler auf seiner Position). Witzig nimmt also eine grosse Rolle ein in der Chancenkreation und ermöglicht mit seinen klugen Zuspielen (76. Perzentile für „Smart Passes“) direkt das Entstehen von Torgefahr. Die Qualität seiner Pässe zeigt sich auch im Bereich „Expected Assists“ (77. Perzentile). Nur wenige Spieler liefern so oft Zuspiele, die zu derart vielversprechenden Abschlussgelegenheiten führen wie er.

Erwähnenswert ist auch Witzigs defensive Mitarbeit. In der Metrik „Defensivaktionen“ rangiert er in der 82. Perzentile. Das unterstreicht sein Arbeitswille gegen den Ball und die eingangs erwähnte löbliche Einstellung. Luft nach oben hat Witzig im Abschluss („nur“ 3 Treffer, zudem nur 21. Perzentile für „Non-Penalty Expected Goals“ – sprich schliesst zu oft aus ungünstigen Positionen ab), in der Luft und in der Effektivität seiner Dribblings. Dass er noch Raum zur Verbesserung hat, ist aber nur logisch. Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass dies Witzigs Debütsaison in der Super League war. Der Lohn für seine tolle erste Saison im Profifussball folgte mit einer erstmaligen Nomination in die U21-Nati. In der kommenden Spielzeit folgt nun das Jahr der Bestätigung. Kann Witzig seinen Platz im Team behaupten und den nächsten Schritt nehmen?

FC Zürich: Cheick Conde (22) – Abräumer mit Punch

Der defensive Mittelfeldspieler aus Guinea kam vor einem Jahr aus Tschechien zum Stadtclub und trat sogleich in grosse Fussstapfen: Er hatte die undankbare Aufgabe, den Abgang von Ousmane Doumbia vergessen zu machen. Da er in der tschechischen Liga bereits zu den besten Zweikämpfern gehörte, traute man ihm dies durchaus zu. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten fand Conde im Laufe der Saison den Tritt immer besser und zählte gerade in der Rückrunde zu den besten Akteuren des entthronten Meisters.

Der 1,85m grosse defensive Mittelfeldspieler ist körperlich eigentlich kaum mit Doumbia zu vergleichen. Anstatt von einem tiefen Körperschwerpunkt zu profitieren und damit sehr schnell und agil zu sein, profiliert sich Conde über lange Beine, Wucht und Robustheit. Diese physischen Vorteile wusste er gewinnbringend einzusetzen: Kein defensiver Mittelfeldspieler gewann mehr Luftduelle als er (100. Perzentile), kaum einer führte mehr Tacklings aus (95. Perzentile) und nur sehr wenige verzeichneten mehr defensive Aktionen (93. Perzentile). Gegen den Ball ist Conde dank seiner Athletik eine Waffe. In sämtlichen relevanten Defensivmetriken weist er gute Werte auf. Damit erfüllt er das klassische Abräumer-Profil ideal. Interessanterweise ist er auch im Dribbling Spitze – gute technische Qualitäten im Verbund mit seiner physischen Durchsetzungskraft verhelfen ihm hier zu einer hohen Erfolgsquote (90. Perzentile).

Während man ihm körperlich und im Zweikampf nichts vormachen kann, hat Conde deutlich Luft nach oben im Offensivspiel (nur 2 Scorerpunkte, nur 26. Perzentile für „Expected Assists“). Der dreifache Nationalspieler Guineas läuft nur selten mit dem Ball am Fuss (14. Perzentile für „Beschleunigungen mit Ball“, 26. Perzentile für „Progressives Balltragen“), ist aber auch kein Achter, von dem das unbedingt erwartet würde. Die defensivere Sechser-Position sagt seinem Profil weitaus mehr zu. Vor der Abwehr kann er aufräumen und als Balleroberer auftreten, spielt dann aus tiefer Position aber gerne progressive Pässe (82. Perzentile), die dem FCZ helfen, in die nächste Zone zu kommen. Dank seinen Qualitäten im Zweikampf und in der direkten Spielauslösung hat es Conde also geschafft, bereits in seiner Debütsaison zu einem Kernelement im FCZ-Kollektiv aufzusteigen.

Grasshopper Club Zürich: Justin Hammel (22) – die künftige Nummer 1

Justin Hammel wechselte im letzten Sommer als Stammtorhüter des Challenge-League-Vertreters Stade Lausanne Ouchy zum Rekordmeister. Die Idee: Der junge Hammel sollte hinter André Moreira aufgebaut werden und dereinst einmal in die Fussstapfen des Portugiesen treten. Der Plan ist aufgegangen: Aufgrund einer langen Verletzungspause des etatmässigen Stammkeepers, kam der U21-Nationalspieler bereits zu 12 Einsätzen für die 1. Mannschaft und wurde nun nach Moreiras Vertragsende zur neuen Nummer 1 befördert.

Hammel ist ein interessanter Torwart, der nach seiner Ausbildung beim FC Basel via Challenge League den Durchbruch geschafft hat. Sein Beispiel zeigt idealtypisch, dass sich ein Umweg über untere Ligen für junge Spieler lohnen kann. Gerade für junge Goalies ist jede Minute auf dem Rasen Gold wert. Hammels Entschluss, aus der Komfortzone auszubrechen und sein Glück in der Romandie zu versuchen, hat sich ausbezahlt. Bei GC machte er Moreira nach dessen Ausfall schnell vergessen. Ruhig, abgeklärt und stark auf der Linie – Hammel hinterliess Eindruck und wird nun mit einer dauerhaften Beförderung belohnt.

Statistiken sind bei Torhütern nicht so aussagekräftig wie bei Feldspielern. Dennoch soll hier kurz auf das Datenprofil von Hammel verwiesen werden. Was auffällt: Viele lange Bälle (85. Perzentile – dem Spielstil seiner Mannschaft geschuldet), aber deutlich zu geringe Präzision (8. Perzentile). Dafür gute Werte in der Luft (62. Perzentile) und beim erfolgreichen Abfangen von gegnerischen Flanken (85. Perzentile). Das spricht für sein Timing und seine Sprungkraft. Mit dem Ball am Fuss hat der 22-Jährige hingegen noch Luft nach oben, wie die Daten zeigen.

FC Winterthur: Nishan Burkart (23) – Speedy Gonzales

Beim FC Winterthur drehte sich in der abgelaufenen Saison vieles um Matteo Di Giusto. Doch neben dem U21-Nationalspieler gab es einen weiteren Youngster, der mit starken Performances einen grossen Beitrag zum Klassenerhalt der Eulachstädter geleistet hat. Die Rede ist von Flügelstürmer Nishan Burkart, der im Nachwuchs des Kantonsrivalen FCZ ausgebildet wurde und über Umwege in England (Manchester United) und Deutschland (SC Freiburg) den Weg zum letztjährigen Aufsteiger gefunden hat. Der FCW vereinbarte ein Leihgeschäft mit seinem Stammklub Freiburg, für welchen der junge Angreifer 2021 in der Bundesliga debütieren durfte. Während seiner Leihe stieg Burkart zu einem Leistungsträger auf. Er absolvierte 24 Partien für die Winterthurer und sammelte dabei 4 Torbeteiligungen (3 Tore, 1 Vorlage) – die dem FCW ganze 6 Punkte einbrachten.

Wenig überraschend wollte Winterthur Burkart definitiv übernehmen. Dank einer Option konnte Winti den talentierten Flügel in diesem Sommer mit einem Vertrag bis 2026 fix an sich binden. Burkart bringt einige interessante Attribute mit, die ihn zu einer echten Waffe im Angriff machen: Seine grösste Stärke ist seine ungeheure Schnelligkeit, allen voran sein explosiver Antritt. Gepaart mit feiner Technik und Lust zum Dribbling macht ihn dies zu einem schwierigen Gegenspieler für jeden Super-League-Verteidiger. Es braucht nur eine kleine Lücke und Burkart entwischt der Abwehr. Tatsächlich gehört der junge Schweizer zu den schnellsten Spielern der ganzen Liga – und ist damit wie gemacht für Wintis Konterfussball.

Blickt man auf seine Statistiken, fallen aber noch andere Werte auf: Nicht nur läuft er sehr oft mit dem Ball am Fuss los (67. Perzentile für „Beschleunigungen mit Ball“), er kann auch spielerischen Mehrwert generieren. In der Sparte „Präzision Smart Passes“ gehört er zur absoluten Elite unter den Flügelstürmern (93. Perzentile). Bedeutet: Burkart ist kein eindimensionaler Flügel, der „nur“ sprinten und dribbeln kann – sondern kann dank Übersicht und Cleverness auch spielerisch Chancen kreieren. Neben der Qualität seiner Steckpässe muss man auch sein defensives Gewissen loben: Burkart ist alles andere als ein „Schönwetter-Fussballer“ und arbeitet entschlossen und aggressiv nach hinten mit (87. Perzentile für „Defensive Aktionen“). Dieser Arbeitswille ist eine Qualität, die auf der Schützenwiese gerne gesehen wird. Winti hat mit Burkart also einen vielseitigen, disziplinierten und im Konterspiel hochgefährlichen Angreifer in den Reihen, der in der kommenden Saison seine tolle Entwicklung hoffentlich erfolgreich weiterführen kann.

FC Sion: Nathanaël Saintini (23) – Karibische Spielstärke

In einer Saison zum Vergessen war Nathanaël Saintini einer der wenigen Lichtblicke beim FC Sion. Der robuste Innenverteidiger wechselte 2019 aus der 3. Liga Frankreichs ins Wallis, hat sich aber erst in der letzten Saison nach einer Leihe in Luxemburg zur unbestrittenen Stammkraft gemausert. Trotz des Abstiegs über die Barrage war Saintini ein zuverlässiger Wert in der Abwehrkette der Sittener. Der achtfache Nationalspieler Guadeloupes, der zuletzt mit der Auswahlmannschaft seines karibischen Heimatstaates am CONCACAF Gold Cup weilte, verzeichnete in der zurückliegenden Spielzeit 29 Einsätze für die Walliser. Dabei gefiel er mit Körperlichkeit und spielerischer Qualität.

Saintini bringt ein modernes Innenverteidiger-Profil mit, das auch über das Wallis hinaus für Interesse sorgen dürfte. Der 23-Jährige ist breit gebaut und etwas unter 1,90m gross. Diese Physis weiss er zu seinem Vorteil einzusetzen. Er rangiert in den Bereichen „Tacklings“ (78. Perzentile) und „Geblockte Schüsse (81. Perzentile) weit vorne. Seine Aggressivität und seine Wucht im Zweikampf führen aber auch zu einer hohen Foul-Quote (81. Perzentile) und zu vielen Karten (75. Perzentile).

Neben seinen körperlichen Stärken, ist Saintini aber auch als mitspielender Innenverteidiger ein echter Faktor. Im Bereich „Expected Assists“ (86. Perzentile) können ihm nur wenige andere Abwehrspieler das Wasser reichen, genauso in puncto „Angekommene Lange Bälle“ (81. Perzentile). Bedeutet: Saintini verfügt über eine hohe Passqualität. Seine präzisen Zuspiele verhelfen seinen Mitspielern zu aussichtsreichen Torchancen. Seine Spielmacherqualitäten äussern sich aber auch noch in einem anderen Bereich: Saintini läuft überdurchschnittlich oft mit dem Ball am Fuss durchs gegnerische Mittelfeld (72. Perzentile für „Progressives Balltragen“, 62. Perzentile für „Beschleunigungen mit Ball“). Er wartet also nicht einfach bloss ab, bis sich eine Anspielstation eröffnet, sondern trägt den Ball auch gerne persönlich durch die gegnerischen Reihen, um so direkt Lücken zu öffnen. Eine gerngesehene Fähigkeit bei Innenverteidigern. Man darf gespannt sein, wie Saintinis weiterer Karriereweg aussieht. Seine Laufbahn dürfte er kaum im Wallis beenden.

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