Das sind die Winterthurer Aufstiegshelden

Der FC Winterthur schafft auf hochdramatische Art und Weise den Aufstieg in die Super League! Zeit, die Aufstiegshelden des FCW zu würdigen.

Die Challenge-League-Saison 2021/22 hielt so einiges an Spannung bereit. Bis zum letzten Spieltag kämpften Aarau, Winterthur und Schaffhausen um den 1. Rang – mit dem besseren Ende für den FCW. Die Eulachstädter putzten den SC Kriens mit 5:0 vom Platz und krallten sich dank eines schweren Ausrutschers der Aarauer (1:2-Niederlage gegen Vaduz) den Meistertitel.

Nach 37 Jahren (!) kehrt der FC Winterthur endlich in die höchste Schweizer Spielklasse zurück. Die Szenen nach dem Abpfiff: Für jeden Anwesenden unvergesslich. Abertausende strömten zum Winterthurer Stadthaus, um gemeinsam mit der Mannschaft den historischen Erfolg bis tief in die Nacht zu feiern. Der Kanton Zürich stellt damit ab nächster Saison drei Super-League-Teams – wobei der FCW in Sachen Zuschauerzahlen den Hoppers schon jetzt den Rang abgelaufen hat. Seit Wochen war das kultige Schützenwiese Stadion mit über 9000 Fans stets bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Kapazität dürfte sich für die Super League weiter erhöhen, zweistellige Zuschauerzahlen wären damit garantiert.

Der FC Winterthur stand stets für vieles – Kultur, Tradition, Solidarität, Jugendförderung, Lokalverwurzelung – aber nie für sportlichen Erfolg. Das hat sich in dieser Saison endlich geändert. Welche Personen sind dafür verantwortlich? Wir wollen im Folgenden auf die wichtigsten (sportlichen) Winterthurer Aufstiegshelden blicken:

Trainer Alex Frei: Ein Trainer für die richtige Haltung

Im vergangenen Winter entliess der FCW den langjährigen deutschen Chefcoach Ralf Loose nach einem wochenlangen Abwärtstrend. Als Nachfolger präsentierte man etwas überraschend Trainer-Rookie Alex Frei, der eineinhalb Jahre lang beim kleinen FC Wil reifen und wirken konnte. Er entwickelte sich rasch zur Schlüsselfigur im Winterthurer Kollektiv und stand wie kein Zweiter für die neuen sportlichen Ambitionen des Vereins. Frei brachte Ehrgeiz und Siegeswille in den Klub, erreichte die Mannschaft über Mentalität und Einstellung. Ohne ihn wäre dieser Aufstieg kaum möglich gewesen. Seit Jahrzehnten fehlte es intern am nötigen Biss und Erfolgshunger – Frei mischte gemeinsam mit Co-Trainer Davide Callà und Sportchef Oliver Kaiser den Laden auf und erweckte im Team eine neue Haltung.

Unter Frei verwandelte sich die Schützenwiese während der Rückrunde in eine Festung. Kein einziges Mal ging man seit seiner Anstellung zuhause als Verlierer vom Platz. Sowieso war „verlieren“ für die Mannschaft mit Frei an der Seitenlinie ein Fremdwort, in 18 Partien ging man nur zweimal ohne Punkte nach Hause. Immer wieder war das Team in der Lage, Rückstände in den Schlussminuten wettzumachen und in extremis noch zu Zählern zu kommen. Dieser stete Glaube der Winterthurer, bis zur allerletzten Sekunde ein Tor erzielen zu können, ist das Werk Alex Freis. Neben der Mentalität änderte der Coach auch die Stellung der jungen Spieler. Talente wie Sayfallah Ltaief, Samuel Ballet, Tician Tushi, Arlind Dakaj oder Souleymane Diaby gingen unter ihm den nächsten Schritt und entwickelten sich zu echten Teamstützen.

Nur zwei Tage nach dem Aufstieg wechselt Frei zum FC Basel. Dort soll er eine ähnliche Transformation vollbringen, wie sie ihm in Winti geglückt ist. Für den FCW ist der schnelle Abgang seines Erfolgstrainers natürlich bitter, aber übel nimmt es ihm niemand. Frei hat Historisches geleistet und ist bereits jetzt eine Winterthurer Legende. Dass er zu einem Angebot „seines“ FCB nicht nein sagen kann, ist allen bewusst. Der Markt gibt so einige interessante Nachfolgekandidaten her, der FCW wird zum Meisterschaftsstart zweifelsohne eine attraktive Lösung bereit haben.

Goalgetter Roman Buess

Im Winter noch zum Challenge-League-Spieler des Jahres 2021 gekürt, ballert Roman Buess (29) den FCW wenige Monate später in die höchste Liga. Der Sturmtank kommt mittlerweile auf über 100 Einsätze für den FCW und hat bei den Fans längst Kultstatus erreicht. Seine Qualitäten im Strafraum suchen in der Challenge League weit und breit ihresgleichen. Hätte er in dieser Spielzeit nicht 10 Partien verletzungsbedingt verpasst, hätte er FCS-Stürmer Ardaiz (20 Treffer) wohl im Rennen um die Torjägerkrone noch abgefangen. So steht er mit 16 Treffern (viele davon eminent wichtig) in 26 Saisoneinsätzen halt „nur“ auf Rang 3 der Scorerliste. Buess kommt als erfahrener Angreifer auch in der neuen Saison eine Schlüsselrolle zu und wird seine Tore erzielen. Gut möglich, dass bald ein neues Schreckensgespenst durch die Strafräume der Super League geistert…

Leader Granit Lekaj

Im Alter von 32 Jahren wird Lekaj in wenigen Monaten endlich sein Debüt in der Super League feiern. Der beinharte Innenverteidiger absolvierte fast 340 Einsätze in der Challenge League, durfte sich aber noch nie in der Bel-Etage beweisen. Das ändert sich nun: Beim Aufsteiger hält er als Abwehrchef die Schotten dicht und ist zudem als Kapitän die wichtigste Führungspersönlichkeit in der Mannschaft. Auch das Publikum schätzt Lekaj enorm, seine kompromisslose Spielweise und sein bedingungsloser Einsatz kommen gut an. Die grössten Qualitäten des 1,87m-Schranks liegen im Zweikampf und in der Luft, zudem ist er auch bei offensiven Standards stets gefährlich. Tempodefizite macht Lekaj mit gutem Stellungsspiel wett, ein etwas schnellerer Nebenmann als Roy Gelmi würde ihm aber dennoch sicherlich nicht schaden.

Künstler Roberto Alves

Roberto Alves (24) ist vielleicht der beste Fussballer der Challenge League. Technisch gibt es ligaweit niemanden auf seinem Niveau, seine Schlitzohrigkeit und sein unfassbar feines Füsschen sind ebenfalls unerreicht. Der frühere GC-Junior kickt mit einem kurzen Unterbruch seit 2018 für den FCW und hat sich Jahr für Jahr weiterentwickelt. Im Aufstiegsjahr hat er nun seine bis dato beste Saison hingelegt: 12 Tore und 12 Vorlagen in 33 Einsätzen stehen zu Buche – grandiose Zahlen! Der offensive Mittelfeldspieler ist beim FCW der Mann für die besonderen Momente, seine technischen Kunststückchen bringen das Stadion zum Kochen. Auch seine Standards sind brandgefährlich, gerade seine Freistösse sind gefürchtet. Alves besitzt grosses Potential – es wäre nicht verwunderlich, wenn er im Sommer von einem grösseren Klub abgeworben würde.

Die restlichen Teamstützen

Eigentlich gilt es das ganze Winterthurer Kollektiv hervorzuheben. Auf den defensiven Aussenbahnen sorgten Tobias Schättin (24) und Souleymane Diaby (22) über links, sowie Michael Gonçalves (27) und Adrian Gantenbein (21) über rechts für Betrieb. Im defensiven Mittelfeld brillierte Thibault Corbaz (28) als Balldieb und Chefstratege, sein Nebenmann Eris Abedini (23) glänzte als physisch starker „Zerstörer“.

In der breit besetzten Offensive waren der spielfreudige Samir Ramizi (30), der schussgewaltige Neftali Manzambi (25) und der dribbelstarke, überaus trickreiche Sayfallah Ltaief (22) ständige Gefahrenherde.

Bleibt die Mannschaft grossmehrheitlich zusammen und kann durch einige kluge Transfers ergänzt werden, kann der FCW vielleicht auch in der Super League für so einige Überraschungen sorgen!

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