- Emanuel Staub
Das Ende einer Ära: Wohin zieht es FCSG-Captain Quintilla?
Vor wenigen Tagen wurde publik, dass FC St. Gallen-Kapitän und Mittelfeldregisseur Jordi Quintilla (27) die Ostschweizer am Saisonende verlassen wird. Was bedeutet sein Abgang für den FCSG? Und wohin könnte es Quintilla ziehen? Bolzplazz macht den Check.
Ein gewiefter Spanier betritt die Super League-Bühne
Im Sommer 2018 stiess Jordi Quintilla ablösefrei vom Puerto Rico FC zum FCSG. Der spanische Edeltechniker lernte sein Handwerk in der berühmten Barca-Schmiede "La Masia", ehe es ihn mässig erfolgreich durch die Niederungen des Weltfussballs zog. Die St. Galler Diamantenschleifer Alain Suter und Peter Zeidler erkannten das fussballerische Genie Quintillas und holten ihn schliesslich zu sich. Wie so oft behielten die FCSG-Talentschnüffler Recht. In seinen bald drei Jahren in der Schweiz entwickelte sich der filigrane Spanier nämlich prächtig, die Nomination zum "Super League Best Player 2020" ist der vorläufige Höhepunkt einer Liebesbeziehung zwischen Quintilla und dem helvetischen Fussball, die kaum einer vorausgesehen hätte.
In Rekordzeit integrierte sich der Mittelfeldspieler ins Team und in die Region. Innert kürzester Zeit war Quintilla sogar der Deutschen Sprache mächig. Mit grossem Willen, viel Leidenschaft, beispielloser Spielintelligenz und fussballerischer Klasse eroberte er die grün-weissen Herzen im Sturm. Nach Silvan Heftis Abgang zu Liga-Krösus YB war Quintilla der logische Nachfolger für das FCSG-Captainamt und wurde auf die aktuelle Saison hin befördert.
Zu neuen Höhen getrieben zu haben, scheint dies ihn aber nicht: Nach seiner überragenden Saison 2019/20, in welcher er einen grossen Anteil an der Vizemeisterschaft der Espen hatte, stagnierten seine Leistungen zuletzt und zusammen mit dem ganzen Klub fand sich Quintilla auf dem Boden der Tatsachen wieder.
Leistungsabfall 2020/21
Während er in der letzten Spielzeit als Hirn und Motor des Zeidlerschen Überfallfussballs die Super League regelrecht überrollte, beschleicht einen nun das Gefühl, dass Quintilla mental schon länger nicht mehr präsent ist. Seine phänomenalen Leistungen 2019/20 weckten im letzten Sommer nämlich reges Interesse. Kein Wunder, denn einen zentralen Mittelfeldspieler mit 13 Toren und 5 Assists in 33 Partien zu finden, kommt äusserst selten vor. Ein starker Kontrast zur aktuellen Saison Quintillas, die mit 2 Toren und 3 Vorlagen in 23 Spielen nicht gerade für Begeisterungsstürme sorgt. Der Leistungsabfall betrifft natürlich nicht nur den 27-jährigen Spanier, sondern die gesamte Ostschweizer Mannschaft. Doch bei Quintilla äussert sich dieser im Hinblick auf die Zahlen seiner Vorsaison besonders drastisch.
Tolle Standards und gefährliche Freistösse tritt er noch immer, jedoch ist aktuell nicht mehr dasselbe Feuer und dieselbe Intensität in Quintillas Spiel zu erkennen, wie noch im letzten Jahr. Im Sommer 2020 stand er wohl kurz vor einem Transfer, dass er keine Wechselfreigabe erhielt, schlägt sich nun in seinen Leistungen nieder. Somit ist der ablösefreie Abgang des Mittelfeldregisseurs in seiner momentanen Verfassung für den FCSG ein zu verkraftendes Übel, denn de facto war Quintilla bereits seit Beginn der Saison 2020/21 abwesend bzw. nicht mehr derselbe. Dennoch darf die menschliche Komponente nicht vergessen werden: Mit Quintilla verliert St. Gallen nämlich einen hochprofessionellen Spieler, Teamplayer und Leader, der in der Kabine und neben dem Platz nicht zu ersetzen sein wird. Nur weil seinem Spiel nicht mehr die gewohnte Leichtigkeit innewohnt, bedeutet das also nicht, dass Quintillas Abgang die Espen nicht hart treffen wird.

Quintillas Optionen
Welche Optionen bieten sich nun dem FCSG-Captain? Immer wieder wurde Quintilla in der Vergangenheit mit Super League-Konkurrenten des FC St. Gallen in Verbindung gebracht. Drei Schweizer Vereine sollen sich Berichten zufolge intensiv um seine Dienste bemühen...
BSC Young Boys: Wenig überraschend, dass nach seiner überragenden Vorsaison der Schweizer Meister bei Quintilla vorstellig wurde. Im Sommer 2020 sollen sich die Berner nämlich bereits mit ihm beschäftigt haben. In diesem Juni wäre der Katalane zum Nulltarif zu haben. Gut möglich also, dass YB erneut seine Fühler ausstreckt. Für Quintilla sind die Young Boys natürlich die reizvollste Adresse in der Schweiz, aber für die St. Galler Fans wäre es brutal, zum zweiten Mal in Folge ihren Captain nach Bern zu verlieren. Sowieso stellt sich die Frage, ob YB Quintilla überhaupt braucht. Denn aktuell stehen mit Michel Aebischer (24), Sandro Lauper (24), Vincent Sierro (25), Fabian Rieder (19), Christopher Martins Pereira (24), Gianluca Gaudino (24) und Esteban Petignat (20) nicht weniger als sieben zentrale Mittelfeldspieler im Kader. Mindestens zwei müssten YB wohl verlassen, ehe man sich ernsthaft um zusätzliches Personal auf dieser Position bemüht. Quintilla zu YB? Aktuell also eher unwahrscheinlich.
FC Basel: Wenn ein Spieler in der Liga überragt, wird er zwangsläufig mit dem FC Basel in Verbindung gebracht. Zugegeben, der FCB in seiner aktuellen Verfassung hat einiges an Attraktivität und Vertrauen eingebüsst. Nichtsdestotrotz hat das Klublabel nach wie vor eine gewisse Ausstrahlung. Folglich wäre es nicht abwegig, wenn sich Quintilla zu einem Wechsel an Rheinknie entschliessen würde – besonders, weil man dem Edeltechniker wohl ernsthafte Avancen macht. Das Projekt, den FCB wieder an die nationale Spitze zu führen, könnte Quintilla reizen. Zudem ist das zentrale Mittelfeld der Bebbi überaltert, zu wenig spritzig und insgesamt zu "stumpf". Quintilla wäre das perfekte Element im FCB-Zentrum. Daneben wären seine Standards für den FC Basel von grosser Bedeutung. Dass man ihn überdies zum Nulltarif bekommt, sollte für Burgener und Konsorten Motivation genug sein, Quintilla nach Basel zu lotsen.
FC Zürich: Etwas überraschend bemüht sich mit dem FCZ auch ein Verein um Quintillas Dienste, der aktuell nicht über dem FCSG anzusiedeln ist. In Zürich verfolgt man ambitionierte Ziele und schreckt auch nicht davor zurück, diese offensiv zu äussern. Ob man sie am Ende tatsächlich erreicht, ist hingegen eine andere Frage. Im Gegensatz zum FC St. Gallen wirkt Zürich weniger stabil, ruhig und bodenständig. Sich Quintilla im FCZ-Umfeld vorzustellen, fällt schwer. Dass er sich selber im Letzigrund sieht, ist ebenso fraglich. Trotzdem ist es nachvollziehbar, dass sich Canepa mit Quintilla beschäftigt. Dem FCZ ist auch unter Massimo Rizzo keine spielerische Weiterentwicklung gelungen. Einen Fussballer wie Quintilla, der die feine Klinge auspacken kann und mit Intelligenz auf dem Platz besticht, sucht man im Zürcher Kader neben Oldie Blerim Dzemaili (34) vergeblich. Ohne Frage wäre der Spanier im Stande, das FCZ-Mittelfeld auf ein neues Niveau zu heben und der ganzen Mannschaft einen frischen Anstrich zu verpassen.
Ein Auslandwechsel: Am Naheliegendsten für Quintilla selbst wäre aber vielleicht gar kein ligainterner Transfer. Ein Wechsel ins Ausland wäre realistisch und für den Spieler wohl die attraktivste Option. In der Vergangenheit hinterlegten bereits Deutsche Teams (SC Paderoborn, VfB Stuttgart, Union Berlin) und Englische Klubs (West Brom) ihr Interesse. Gerade die Bundesliga ist für Quintilla besonders spannend. Dank seiner Deutschkenntnisse wäre er überdies leicht und schnell zu integrieren.
Wohin es ihn auch ziehen mag: Quintilla hat die Fussballschweiz bereichert, und in St. Gallen wird man ihm trotz aktueller Formbaisse bitterliche Tränen nachweinen.
FCZ wirbt um Quintilla: https://www.4-4-2.com/super-league/fcz-fc-zuerich/super-league-konkurrent-interesse-jordi-quintilla-fcsg/
St. Gallen verliert erneut seinen Captain: https://www.bote.ch/sport/fussball/super-league/st-gallen-verliert-captain-quintilla;art2058,1301415
Grosser Verlust für den FCSG: https://www.sport.ch/fc-st-gallen-1879/744114/wie-soll-das-gehen-in-stgallen-muss-man-einen-praktisch-unersetzbaren-quintill-ersetzen