- Emanuel Staub
Charles Pickel: Aus der Ligue 2 zur grossen Karriere?
Er geriet hierzulande fast in Vergessenheit: Ex-FCB-Junior Charles Pickel (23) hat bei Grenoble in der Ligue 2 einen rasanten Aufstieg hinter sich, die Interessenten stehen Schlange. Was macht ihn so begehrt? Bolzplazz macht den Check.
Ein ewiges Talent?
Es war im Sommer 2019, als sich die Grasshoppers endgültig von Charles Pickel trennten. Am Abstieg des Rekordmeisters traf den gebürtigen Solothurner keine Schuld, denn er war als Leihspieler bei Neuchâtel Xamax engagiert. Es war bereits Pickels zweite Leihstation, seit ihn die Zürcher 2017 als 19-jährigen aus dem FCB-Nachwuchs zu sich lotsten. Rund ein halbes Jahr war er davor nämlich bereits in die Challenge League an den FC Schaffhausen verliehen. Egal wo Pickel auch spielte, irgendwie bewegte er sich immer unter dem Radar.
Bei GC erhielt der defensive Mittelfeldspieler nie eine echte Chance. Nach seinem Wechsel von Basel nach Zürich setzte Carlos Bernegger zwar auf ihn, unter Nachfolger Murat Yakin war er aber schnell aussen vor. Eine hartnäckige Meniskusverletzung setzte Pickel lange und immer wieder ausser Gefecht. Nachdem er im Sommer 2018 von seiner Leihstation beim FCS zurückkehrte, wollte ihn der damalige GC-Coach Thorsten Fink sofort wieder loswerden, und so wurde Pickel auf die Saison 2018/19 hin zu Xamax abgeschoben.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Neuenburger mit Pickel als Stammspieler über das mittlerweile legendäre Barrage-Duell gegen den FC Aarau die Klasse hielten, während die Hoppers den Gang in die Zweitklassigkeit antreten musste. Für Pickel war das unerfreuliche Kapitel GC nachvollziehbarerweise danach abgeschlossen.
Dass der heute 23-jährige ein begabter Fussballer ist, war in der Szene eigentlich kein Geheimnis. Insgesamt absolvierte Pickel 21 offizielle Partien in den Schweizer U-Nationalmannschaften, 10 davon alleine mit der U20. Mit dem FCB spielte er in der UEFA Youth League und gewann gegen Liverpool und Real Madrid. Aber das Talent Pickels wurde von GC verkannt. Für ihn selber erwies sich der Schritt in die Ligue 2 zu Grenoble Foot als die richtige Entscheidung. Während sein ex-Klub nach wie vor in der Challenge League antreten muss, hat sich Pickel in Frankreich einen Namen gemacht.
Durchbruch bei Grenoble
In den französischen Alpen hat Pickel sein Glück gefunden. Aktuell bestreitet er seine zweite Saison als unbestrittener Stammspieler bei Grenoble Foot. Das Vertrauen, das in ihn gesetzt wird, hat ihn beflügelt. Pickel wurde von Verletzungen verschont und konnte sein Potential ohne Druck in einem ruhigen Umfeld endlich langfristig entfalten. Grenoble steht momentan auf Rang 3 und hat alle Chancen, in der nächsten Saison zum ersten Mal seit 2010 wieder in der ersten Liga zu spielen.

Grossen Anteil am Erfolg hat Charles Pickel. Er sorgt für die Balance im Team. Pickel ist ein 1,87m grosser, atheltischer Sechser, der als "Staubsauger" das Mittelfeld durch Zweikampfhärte, Übersicht und Abfangqualitäten säubert. Mit seinen langen Beinen und raumgreifenden Schritten ist er kaum zu überspielen, seine physischen Voraussetzungen machen aus Pickel einen überragenden Balleroberer. Laut Statistik erobert er das Leder pro Spiel im Schnitt fast 11 Mal zurück – ein exzellenter Wert.
Als defensives Gewissen in einem 4-2-3-1-System ist es seine Hauptaufgabe, die gegnerischen Angriffe früh im Keim zu ersticken. Entfernt erinnert Pickels Spielstil an Denis Zakaria (24). Was dem Ligue 2-Legionär im Vergleich an Dynamik fehlt, macht er durch Härte und Spielintelligenz wett.
Pickel ist aber viel mehr als nur ein Zerstörer. Die angesprochene Übersicht verleiht ihm in Kombination mit technischer Beschlagenheit eine hohe Passqualität. Gerne und oft peilt er mit langen Bällen oder Zuspielen in die Tiefe eine schnelle Angriffsauslösung an und nimmt so in Kontersituationen als Initiator eine Schlüsselrolle ein. Die grosse Mehrheit von Pickels Pässen sind nach vorne gerichtet – keine Selbstverständlichkeit für einen defensiven Mittelfeldspieler. Rückpässe gibt Pickel nur selten, hat er den Ball in den Füssen, sucht er stets Lösungen nach vorne.
Es ist diese Kombination aus Athletik, physischer Präsenz und Kreativität mit dem Ball, die aus Pickel einen hochinteressanten Spieler macht. Daneben gefällt er auch durch seine Einstellung. Pickel ist giftig auf dem Platz, er will um jeden Preis gewinnen. In Grenoble ist er daher wenig verwunderlich bei Fans und Verantwortlichen äusserst beliebt. Am vergangenen Wochenende erzielte Pickel sein erstes Saisontor, ein herrlicher Distanzschuss. Daneben liess er sich 2020/21 bislang zwei Assists gutschreiben, einer davon verwertete übrigens ex-YB und GC-Flügel Yoric Ravet (31).
Klubs stehen Schlange
Wenig erstaunlich, dass ein Spieler mit einem so interessanten Profil bei anderen Klubs Interesse weckt. Dazu kommt, dass Pickel nach wie vor erst 23-jährig ist und seine Entwicklung daher noch lange nicht abgeschlossen ist. Er besitzt alle körperlichen Voraussetzungen, um in einer grossen Liga zu bestehen.
Und in eine solche soll es in diesem Sommer gehen. Auch wenn Pickel einen Verbleib bei Grenoble nicht kategorisch ausschliesst, peilt er einen Wechsel an. Besonders die Bundesliga reizt den ex-FCB-Junior, wie es heisst. Im Rennen sollen sich mehrere deutsche Klubs befinden. Nach Informationen von transfermarkt buhlen der FC Augsburg, Arminia Bielefeld und Schalke 04 um seine Dienste.
In der aktuellen Phase kann einem jungen Spieler von einem Transfer zu Scherbenklub Schalke nur abgeraten werden. Augsburg hingegen könnte tatsächlich eine Option sein. Kürzlich wurde bekannt, dass FCA-Mittelfeldspieler Rani Khedira (27) den Klub verlässt, womit ein Platz frei würde. Daneben wird in dieser Saison oft bemängelt, dass aus der Zentrale der Ausgburger zu wenig Athletik und Power komme – zwei Elemente, die Pickel pefekt einbringen könnte.
Ebenfalls eine Möglichkeit wäre ein Transfer in die Ligue 1, wo Pickels tolle Leistungen natürlich ganz genau verfolgt werden. Genannt wurden bislang Girondins Bordeaux und SCO Angers. Ein Wechsel ins französische Oberhaus wäre wohl der nächste logische Schritt und mit weniger Umständen und potentiellen Anpassungsschwierigkeiten verknüpft.
So oder so: Es wird ein sehr spannender Sommer für Charles Pickel. Erfolgt tatsächlich der Schritt in eine Spitzenliga, könnte er vielleicht in Zukunft auf Vladimir Petkovics Liste auftauchen...
Pickel will in eine Topliga: https://www.4-4-2.com/weitere/onefootball/ex-fcb-gc-profi-charles-pickel-topliga/
Profil: https://www.transfermarkt.ch/charles-pickel/profil/spieler/243879
Interesse an Pickel: https://www.sport.ch/grenoble-foot-38/758795/schweizer-ligue-2-mittelfeldspieler-weckt-interesse